Übermorgen
Eine kurze Spekulation
von André Studt
Erschienen in: Offen! Das internationale figuren.theater.festival – Erlangen Nürnberg Fürth Schwabach (05/2025)

Ein Übermorgen, ein von uns redaktionell bewusst gesetzter Begriff, der das Morgen ausblendet (oder dieses als überwunden impliziert), lässt sich nur spekulierend erschließen, zumal man selbst (als in der Gegenwart Schreibender oder Lesende) im Übermorgen sehr wahrscheinlich nicht mehr sein wird. Dass ein Übermorgen uns gerade sehr unzugänglich scheint, muss nicht unbedingt mit den vielfältigen Krisenherden der Gegenwart zu tun haben, die uns allenthalben zusetzen – und deren Genese wissenschaftlich erkundet und mehr eskortiert als intervenierend verändert wird. Stanislaw Lem hat in seinem 1992 erschienenen (und heute immer noch anregend zu lesenden) Essayband „Die Vergangenheit der Zukunft“ darauf hingewiesen, dass sich die Zukunft methodisch nicht per überraschungsfreier Prognose wird modellieren lassen, da immer wieder der Zufall (und dessen bisweilen disruptive Dramaturgie) dazwischenfunkt. Das im Prinzip (konstruktiv) Machbare ist permanent in der Defensive; man wisse zwar, was man für die Zukunft tun müsse, aber es lohne sich halt nicht. So leben wir, als vermeintlich erwachsene und in dieses materiell, technologisch, bürokratische Setting eingesponnene Wesen, unserem Tod als Bestandteil einer breiten Gegenwart entgegen und hoffen, dieser sei ein natürlicher. Warum überhaupt an ein Übermorgen denken?
Demgegenüber und vielleicht als Trost beziehungsweise Versprechen auf eine Zeit nach dem Morgen gilt: „Puppen sterben besser!“...