Kirche und Theater
von Maren Schmidt
Erschienen in: Lektionen 5: Theaterpädagogik (10/2012)
Vom Konflikt zum Dialog Die Beziehungsgeschichte von Theater und Kirche ist eingebettet in die grundsätzliche Verhältnisbestimmung von (christlicher) Religion und Kunst, die sich seit jeher über die Verhandlung von Ähnlichkeit und Differenz, verwandtschaftlichen Beziehungen und deutlicher Abgrenzung definiert. Die Geschichte von Kunst und Christentum zu erzählen, heißt in erster Linie, eine Konfliktgeschichte zu erzählen.1
So war auch der Auftakt der Begegnung von Theater und Christentum alles andere als verheißungsvoll und symptomatisch für die Zukunft: Das junge Christentum hatte sich kaum formiert, da fügte der Mimus des römischen Theaters den Christen in den Kanon seiner komischen Figuren und verhöhnte die Anhänger der neuen Religion mit Parodien ihrer Zeremonien. Umgekehrt stand das römische Spielwesen unter der scharfen Kritik der Kirchenväter. Die heidnischen Ursprünge des Theaters, vor allem aber moralische Einwände, ließen das Theater zum Synonym für Maß- und Sittenlosigkeit werden.2 Die Verurteilung des Theaters durch die verfasste Kirche wurde für das erste christliche Jahrtausend (und darüber hinaus) bestimmend und trug das ihre dazu bei, dass die antike Theatertradition im Abendland zum Erliegen kam. Umkehrt wurde die Nachahmung, Verhöhnung oder Entlarvung christlicher Rituale bzw. des geistlichen Standes bis heute ein beliebtes Thema des Theaters.
Dennoch war es ausgerechnet der Kirchenraum, in...