Vor knapp zwei Jahren kam das Stück „sklaven leben“ des Dramaturgen Konstantin Küspert am Schauspiel Frankfurt zur Uraufführung. Zum richtigen Zeitpunkt, denn die Debatte um Postkolonialismus hatte die deutsche Öffentlichkeit gerade in größerem Umfang erreicht. Küspert verknüpft in seiner geradezu essayistischen Revue dabei nicht nur den historischen Begriff des Sklaven mit der Arbeit in der prekären Dienstleistungswelt heute, sondern arbeitet auch mit der Grundidee, Afrika und Europa, Nord und Süd samt Ressourcen- und Flüchtlingsströmen zu vertauschen. Senegalesische Schiffe fischen die Nordsee leer, und Europäer wandern in afrikanische Sozialsysteme ein, die sie zusätzlich mit ihren Kinderscharen belasten. Vertauscht wird ebenso die Ost-West-Migration, wenn Skandinavier sich in der moldawischen Altenpflege verdingen müssen. Das ist ein guter Verfremdungstrick zur Verdeutlichung der Verhältnisse in einer Art Zerrspiegel. Davon bloß zu erzählen, trägt allerdings nicht allein. Das ist die Herausforderung.
In Meiningen schmettern zu Beginn des Stücks (das der Rezensent aufgrund des pandemiebedingten Lockdowns nur auf Video sehen konnte) die Fanfaren des ARD-„Weltspiegels“ durch den Raum, dessen Markenzeichen es ist, das Elend der Welt in Sechs-Minuten-Geschichten zu erzählen. Das entspricht in etwa auch der Struktur von Küsperts Gedankenspielen. Dann aber treten zur Musik von „Dalli Dalli“, einer ZDF-Spielshow aus den siebziger, achtziger Jahren, zwei Frauen...