Auftritt
Burgtheater Wien: Reise rückwärts
„Heldenplatz“ von Thomas Bernhard – Regie Frank Castorf, Bühne Aleksandar Denić, Kostüme Adriana Braga Peretzki, Musik William Minke, Video Andreas Deinert
von Michael Hametner
Assoziationen: Österreich Theaterkritiken Aleksandar Denić Frank Castorf Burgtheater Wien
Thomas Bernhards letztes Stück „Heldenplatz“ neu zu inszenieren, um die Debatte dort fortzusetzen, wo sie 1988 im Jahr der Uraufführung dieses letzten Theaterstücks von Thomas Bernhard geführt wurde, hätte aus seinem Stück vermutlich eine Agitprop-Veranstaltung gemacht. Die war nicht gewollt und so hat Burgtheaterintendant Martin Kušej in seinem letzten Jahr der Intendanz Frank Castorf an die Burg geholt, der in seinen fünfundzwanzig Jahren Berliner Volksbühne einer der ersten Exponenten des Regietheaters geworden ist. Er lässt vielleicht dreißig Prozent des Textes von Thomas Bernhard stehen und macht sein eigenes Stück daraus.
Castorf will weg vom realen Wiener Heldenplatz, wo 1938 Hunderttausende Österreicher:innen Adolf Hitler zugejubelt haben und sich nach dem Ende von Holocaust und Nationalsozialismus als Hitlers erste Opfer von ihrem Jubel selbst freigesprochen haben. Thomas Bernhards skandalisierter Frontalangriff auf die Österreicher mit Sätzen wie „Es gibt jetzt mehr Nazis in Wien / als achtunddreißig / du wirst sehen / alles wird schlimm enden“ fehlt in Castorfs Fassung nicht, aber der Regisseur geht nicht in die Falle von Bernhards Übertreibungsdramatik. Er hat für seine Fassung zwei hervorragende Ideen: Er versetzt den historischen Teil der Handlung nach New York, die Stadt vieler jüdischer Immigrant:innen in den 1930er Jahren, und verschiebt die Klage...
Erschienen am 27.2.2024
