Magazin
Die Freiheit wird fünfzig
Ein Porträt zum halben Jahrhundert Freies Theater München
von Sabine Leucht
Erschienen in: Theater der Zeit: Zwillingsbruder eines Bürgerkriegs – Wajdi Mouawad und der Libanon (09/2020)
International bedeutende freie Gruppen, die ihren fünfzigsten Geburtstag erleben, sind selten in Deutschland. Umso ärgerlicher, dass die für September geplante Jubiläumsfeier des Freien Theaters München (FTM) nun coronabedingt verschoben ist. Trotzdem wühlt sich Kurt Bildstein unermüdlich weiter durch die Kistenberge in seiner Wohnung, denn im Herbst 2021 ist rund um das vertagte Fest auch eine Ausstellung über das FTM im Deutschen Theatermuseum geplant.
Dessen Geschichte begann am 29. April 1970: Im Schwabinger Wirtshaus im Fäustlegarten teilt ein Steg den Zuschauerraum. George Froscher inszeniert Jakob Michael Reinhold Lenz’ „Soldaten“ als expressives, bildstarkes Körpertheater. In der Rolle des Tuchhändlers Stolzius debütiert der Architekturstudent Kurt Bildstein, weil der dafür vorgesehene András Fricsay abgesprungen war. Und die Presse ist Feuer und Flamme.
Es war die Zeit der ganzseitigen Theaterkritiken in den Feuilletons. Es war die Zeit, in der, wie Helmut Schödel noch 1977 schrieb, „im Theater fast immer fertige Geschichten erzählt“ wurden. Nicht so bei den „Theater-Piraten“ vom FTM, wo man literarische Vorlagen liebte, aber eher kaperte als ausbuchstabierte. Weshalb ein Kritiker wie Friedrich Luft sehr dafür war, die „Narren“ fortzujagen, wogegen einer wie Benjamin Henrichs gelegentlich Stadttheatermacher bei Froscher und Bildstein zum Nachsitzen schickte.
Froscher, Jahrgang 1927, hatte zuvor schon inszeniert, Bühnenbilder gemalt...