Magazin
Partnering
Das Symposium „Change of Scene. Reframing Cooperation“ bringt im Berliner Kunstquartier Bethanien Projekte des Fonds „Szenenwechsel“ zusammen
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Wie es euch gefällt – Christian Friedel vertont Shakespeare (12/2016)
Internationale Kooperationen nicht nur zu organisieren, sondern auch deren Bedingungen zu erforschen und Erfahrungen auszuwerten, ist das Anliegen des von der Robert Bosch Stiftung und dem Internationalen Theaterinstitut (ITI) geförderten Programms „Szenenwechsel“. Die länderübergreifende Theaterzusammenarbeit soll nicht auf prestigeträchtige Koproduktionen des großen Festivalmarkts beschränkt bleiben, sie soll sich in Theaterbereiche erweitern, wo man andere Wege geht und dafür auch Unterstützung benötigt. Das Programm steht für eine Offenheit, die nicht gleich auf den Markt zielt, sondern eher die spezifischen Voraussetzungen und Interessen der jeweiligen Theatermacher als Grundlage wahrt – und die gewiss auch andere Erfahrungen in der Zusammenarbeit generiert. 2012 wurden erstmals Projekte im Bereich des freien Theaters durch diesen Fond ermöglicht. 15 Arbeiten aus den Förderrunden 2015 und 2016 wurden nun beim Symposium „Change of Scene. Reframing Cooperation“ im Berliner Kunstquartier Bethanien, Sitz des ITI Deutschland, workshopartig vorgestellt.
Als Prinzip gilt, dass eine deutsche Theatergruppe mit einem Partner in Osteuropa, dem angestammten Förderraum der Bosch-Stiftung, ein Projekt entwickelt. Vier Arbeiten fanden außerdem in Ägypten und Algerien statt. Diese Erweiterung wurde in einem Podiumsgespräch zwischen der ägyptischen Kulturmanagerin Basma El Husseiny und der polnischen Kuratorin (u. a. bei der Biennale Venedig) Anda Rottenberg ausgesprochen positiv bewertet. Denn in der zensurartigen Kontrolle von Förderern und dem staatlichen Misstrauen gegenüber internationalen NGOs im Kulturbereich ähneln die Arbeitsbedingungen in nationalkonservativ beherrschten Ländern Osteuropas denen in der arabischen Welt. Man könnte von einer negativen Internationalisierung dieses Phänomens sprechen – eine Entwicklung, die man noch genauer untersuchen sollte.
Die gezeigten Arbeiten wirkten indes weitgehend frei von Hindernissen. Zu sehen war beispielsweise, freilich nur als Video, der fahrende Theaterzug der mittlerweile preisgekrönten Gruppe Das letzte Kleinod, die in Zusammenarbeit mit dem Teatr Gdynia Główna eine Inszenierung zum Thema „Flucht“ (so auch der Titel) und Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erarbeitet hatte (siehe TdZ 10/2016). Etwas schwieriger darf man sich die Arbeit des deutschen Theaterpartisanen Georg Genoux in der Ukraine vorstellen. Er zeigte zusammen mit einem ukrainischen Soldaten eine filmische Lecture Performance, in der es um einen tödlich Verwundeten ging, der im Donbass-Bürgerkrieg von der gegnerischen Partei gefangen gesetzt wurde. Genoux’ Partnerin, Natalia Voroschbit, gehört als Autorin zu den wichtigen literarischen Augenzeugen des Konflikts in der Ukraine, einer Katastrophe ohne absehbares Ende.
Eher verspielt wirkte dagegen „Radio Europa – Under Construction“, entwickelt von Mobile Albania aus Gießen und Künstlern aus Tirana, die mit Albanien ein Land erkunden, das aus europäischer Perspektive noch recht unbekannt ist. Dagegen ist die „Musik für unaufführbares Theater“ vielleicht von subversivem Klang. In diesem Projekt von Alexander James Paulick Thiel (Berlin) und Adel Abdel Wahab (Alexandria) geht es darum, wie Musiker verschiedenster kultureller Kontexte miteinander kommunizieren und arbeiten. Die Analyse dessen, dass da unerwünschte Kontrolle und sogar unfreiwillige Selbstzensur im Spiel sein könnten, ist gerade die Idee dieses Wechselspiels zum Wohle des freien Theaters. //