Ein Ritt durch die Berliner Nacht
von Klaus Lederer
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
„Das ist mir hier zu echt und zu aufregend, bei mir wird immer nur markiert!“
(aus der Inszenierung Alles Schwindel)
Es besteht wohl kaum ein Zweifel daran, dass das Maxim Gorki Theater seit jeher und auf sehr vielseitige Weise ein politisches Theater ist. Ich möchte an dieser Stelle eine politisch-künstlerische Tradition herausgreifen, die – so meine These – viel mit der Wirkweise des Gorki zu tun hat. Die Rede ist von der Revue, einer Kunstform, die ihre Blüte im Berlin der 1920er Jahre hatte und der die Nationalsozialisten ein jähes Ende setzten: zu frei, zu queer, zu jazzig, zu jüdisch.
Am Maxim Gorki Theater hatte im Dezember 2017 die Revue Alles Schwindel Premiere, komponiert und geschrieben von Mischa Spoliansky und Marcellus Schiffer, 1931 in Berlin uraufgeführt. Regie führte diesmal Christian Weise, Jens Dohle komponierte den jazzigen Sound teilweise neu, da Teile von Spolianskys Partitur im Krieg verbrannt waren. Alles Schwindel ist eine Art musikalisches Roadmovie, ein Ritt durch eine Berliner Nacht der 1920er. Der Plot kommt im Gewand einer Lovestory daher, erzählt aber eigentlich mehr von Halbwahrheiten, von prekären Arbeitsverhältnissen und der Wirtschaftskrise, von einer Attitüde zum Leben: Jede*r scheint immer auch eine Rolle zu spielen. Es ist eine...