Eine kurze Geschichte des Linkspopulismus
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Als denkerische Traditionslinie für den Linkspopulismus gelten neben Antonio Gramsci vor allem die Postmarxisten Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Während Gramsci seinen Populismus als Gegenkraft zum Faschismus entwickeln wollte, sehen sich Laclau und Mouffe mit der historischen Tatsache konfrontiert, dass alle populistischen Mittel und Begriffe durch die faschistische Herrschaft vergiftet sind. Ihre Rettung beginnt von daher folgerichtig bei dem Versuch, mit Hilfe der Dekonstruktion die Begriffe Volk, Führer, Nation usw. retten zu wollen.
Ihre Theorie eines neuen Populismus könnte man als den Versuch einer Synthese verstehen, die Gramscis Populismus-Konzept, Carl Schmitts Unterscheidung zwischen Freund und Feind als Wesen der Politik und die postmoderne Dekonstruktion zusammendenkt. Das klingt auf den ersten Blick verlockend, doch sind die Einwände gegen diesen Ansatz, der schon vor einigen Jahrzehnten formuliert wurde, inzwischen so verbreitet, dass man sie gleich nennen sollte.
Anfangs folgen Laclau/Mouffe dem klassischen Antagonismus, der das Volk gegen die Eliten stellt. Sie erweitern ihn jedoch, indem sie Carl Schmitt als Urvater aller dezisionistischen Politik hinzufügen. So wird aus einem vorhandenen Gegensatz eine Konstruktion, die erst durch eine populistische Anrufung entsteht. Der Populist muss und kann für sich die Macht beanspruchen, einen solchen Gegensatz formen zu können.
Der Dezisionismus ist für Laclau/Mouffe wichtig, um...