Theater der Zeit

Die Körperlichkeit der Musik

Distanz und Überwältigung im Musiktheater Harry Kupfers

von Bettina Brandl-Risi

Erschienen in: Recherchen 51: Realistisches Musiktheater – Walter Felsenstein: Geschichte, Erben, Gegenpositionen (06/2008)

Assoziationen: Theatergeschichte Musiktheater Wissenschaft Harry Kupfer

Die Sopranistin Nadine Secunde, die mit Harry Kupfer insbesondere in der Bayreuther Produktion von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen 1988 bis 1992 als Sieglinde zusammengearbeitet hat, macht auf eine besondere Qualität dieses Regisseurs aufmerksam, nämlich sein ausgeprägtes Sensorium für die Wahrnehmung von Musik als körperliche, in Bewegung setzende:

Kupfer gehört zu den Regisseuren, denen die Musik fast etwas Körperliches sagt, denen die Musik – von der Bewegung her – eine Richtung weist. Die Musik, die aus dem Orchestergraben kommt, empfindet er nicht nur als Klang, sondern als Bewegungsimpuls. […] Mit einem Regisseur zu arbeiten, der dieses körperliche Reaktionsempfinden für eine Musik besitzt, ist für mich das höchste der Gefühle. […] In den Rollen, die ich mit Kupfer erarbeitet habe, gibt es keinen Widerspruch zwischen Gesang und Darstellung. Sowohl in den rein musikalischen Passagen als auch im Gesangspart kann ich mich ganz dem szenischen Geschehen hingeben, weil der Bewegungsablauf aus der Musik kommt.[1]

Diese Körperlichkeit der Musik und spannungsgeladene Bewegtheit der Darstellung, die Nadine Secunde so enthusiastisch feiert, prägt beispielsweise jenes Vorspiel zum 2. Aufzug der Walküre in Harry Kupfers Bayreuther Inszenierung von 1988, in dem noch vor dem Auftritt Wotans und Brünnhildes das Wälsungenpaar auf der Flucht zu...

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