Editorial
Editorial
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Perspektiven der Volksbühne – Viktor Jerofejews Putin-Stück: Der Große Gopnik (05/2024)
Assoziationen: Theater Freiburg Volksbühne Berlin
Eigentlich hatte Klaus Lederer anderes zu tun. Der Politiker (Die Linke) im Berliner Abgeordnetenhaus stellte auf der Leipziger Buchmesse sein für einen radikalen Humanismus werbendes Buch „Mit links die Welt retten“ vor, feierte damit seinen 50. Geburtstag und flog dann sehr weit weg in den Urlaub. Als er von der Anfrage der Redaktion erfuhr, ob er etwas zu der Diskussion über die Zukunft der Volksbühne beisteuern könnte, sagte er sofort zu. Lederer handelte als Berliner Kultursenator 2019 mit René Pollesch die Intendanz der Berliner Volksbühne ab 2021 aus – Überlegungen zu deren Zukunft sind der Schwerpunkt in diesem Heft.
Der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew floh sehr schnell nach dem totalen Überfall Russlands auf die Ukraine mit seiner Familie Richtung Westen. Die abenteuerliche Fahrt mit dem Auto über Finnland, das Baltikum und Polen nach Deutschland beschreibt er in seinem Roman „Der Große Gopnik“, ohne Zweifel das bislang bedeutendste Buch der Literatur über Putins Psyche und das von ihm geprägte Russland. Das Wort Gopnik, abgeleitet vom sowjetischen Kürzel für „Staatliche Wohnheime des Proletariats“ und ab den 1990ern ein Begriff für depravierte Jungkriminelle und Schlägertypen, hat dank Jerofejew Chancen, in die deutsche Sprache zu gelangen, ähnlich wie einst „Sputnik“ oder das damals in...