„Heiner Müller ist ein marxistisch denkender Dramatiker und Dichter, kein Theoretiker“, lassen die beiden Münchner Germanisten Helen Müller und Clemens Pornschlegel ihre Leser im Nachwort zu der von ihnen besorgten Zitat- und Gedankensammlung wissen, die Heiner Müllers Werk auf Aussagen zum Kapitalismus abklopft. Tatsächlich steht nicht die Theorie im Mittelpunkt der im Suhrkamp Verlag unter dem Titel „‚Für alle reicht es nicht‘. Texte zum Kapitalismus“ erschienenen Anthologie, doch auch von Dramatik und großer Dichtkunst bleibt nur ein Rest zurück. Hier stehen Gesprächsfetzen neben Stückauszügen, Verse neben biografischen Notizen. Eingeteilt in fünf Kapitel zu den Themen „Kapitalismus und Kapitalismuskritik“, „Ekel“, „Sprache“, „Religion“ und „Krieg“, darin wiederum streng chronologisch geordnet. Jedes Kapitel wird umfassend von den Herausgebern eingeleitet, aber der Leser bleibt letztlich sich selbst überlassen und dem Stückwerk ausgeliefert. Dass im Titel des ersten Kapitels von Kapitalismuskritik, nicht von Antikapitalismus – oder gar Sozialismus – die Rede ist, dass der Komplex Revolution kein eigenes Kapitel zugeschrieben bekommen hat und dass schließlich der Abschnitt zu dem Bereich „Religion“, in Erinnerung an einen längst vergessenen Scheinwiderspruch, die meisten Seiten einnimmt, sagt viel über das Buch aus.
Natürlich werden Müllers unglaubliche Sprachmacht, sein Witz und seine ungewöhnliche Fähigkeit zum analytischen Denken und Querdenken in...