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Hörspiel als Gegengattung
Der Hörspielpreis der Kriegsblinden geht an Lucas Derycke für „Screener“
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Schauspiel Leipzig – Martin Linzer Theaterpreis 2017 (06/2017)
„Du bist der Autor deiner eigenen Geschichte.“ Solche Sätze muss Felix in einem sogenannten Optimierungsseminar nachsprechen. Dann nimmt er einen Job als content reviewer an, und der Satz verkehrt sich in das absurdeste Gegenteil. Denn beim Durchsehen und Bewerten „unangemessener Inhalte“ im Internet geht es nie um die eigene Geschichte, sondern fast nur um irgendwo im Netz aufgespürte Gewaltpornografie und gefilmte Folter, die der Gutachter fürs Aussortieren zu klassifizieren hat. Einer der schlimmsten Jobs, die die heutige Welt zu bieten hat und wahrscheinlich ein schnell wachsendes Feld für die Therapiebranche. Hörern dieser WDR-Produktion werden die Würggeräusche und Schmerzschreie zwar als Gegenstand von Felix’ Arbeit dargeboten, aber die eigentliche Erzählebene zeigt den inneren und sozialen Zerfall des Protagonisten durch diese digitale Schmutzarbeit. Gesprochen wird Felix in der Produktion „Screener“ von Andreas Helgi Schmid; Autor und Regisseur Lucas Derycke wurde für diese Arbeit jetzt mit dem 66. Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet.
Der 1990 geborene Belgier ist mit diesem Stück, das einen noch wenig bekannten Aspekt der Gegenwart akustisch erzählend erkundet, wohl der jüngste Preisträger – dazu auch der erste, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Das dargestellte Berufsbild, falls man es so nennen kann, wurde gerade auch in einigen Reportagen in Deutschland und...