Magazin
Neue Orte, neue Formen
Das Kosovo Theatre Showcase zeigt gewachsene Produktivität und Diversität
von Tom Mustroph
Erschienen in: Theater der Zeit: Barbara Mundel – Stürzende Gegenwart (12/2022)
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Europa
Manchmal führt ein Mangel zu positiven Effekten. Weil das Nationaltheater von Prishtina wegen Umbaumaßnahmen geschlossen ist – offiziell wurden zwei Jahre Bauzeit verkündet, Kenner:innen der Szene gehen von mindestens fünf Jahren aus –, musste das Kosovo Theatre Showcase auf andere Orte ausweichen. Das war für einige Produktionen die er nun schon zum fünften Mal stattfindenden Austauschplattform für Theaterproduktionen in der Balkanregion aber durchaus förderlich. Und für das Publikum, sowohl für das internationale wie für das lokale, bedeutete es schöne Abwechslungen. Insgesamt elf Produktionen mit Beteiligungen aus sechs Ländern wurden gezeigt. Spielorte waren neben Theaterhäusern wie Oda und Dodona auch ein früheres Gefängnis in Prishtina, eine Ausstellungshalle des Nationalmuseums und das frühere Landhaus einer ottomanischen Händlerfamilie, das aktuell das Ethnographische Museum beherbergt.
Im rural-familiären Ambiente dieses Landhauses siedelte Regisseur Kushtrim Koliqi das Kammerspiel „Father and Father“ an. Das titelgebende Familienoberhaupt stand unbeweglich in einer Ecke des Zimmers, ähnlich unbeweglich die Tochter. Nur die Mutter wirbelte geschäftig umher. Sie war Herz und Motor dieser kleinsten Zelle der Gesellschaft. Mochte man anfangs noch den Vater für einen der vielen Kriegsheimkehrer halten, die nicht recht Fuß fassen können in der Zivilgesellschaft, so eröffnete sich im Laufe des Abends eine neue, so überraschende wie unheimliche...