Theater der Zeit

Look Out

Eintauchen in viele Leben und Geschichten

Die Esslinger Schauspielerin Nathalie Imboden sucht die starke Seite in ihren Frauenrollen

von Elisabeth Maier

Erschienen in: Theater der Zeit: Henry Hübchen (02/2022)

Assoziationen: Sprechtheater Baden-Württemberg Akteure Württembergische Landesbühne Esslingen

Nathalie Imboden. Foto Mona Georgia Müller
Nathalie ImbodenFoto: Mona Georgia Müller

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Starke Frauenfiguren reizen die junge Schauspielerin Nathalie Imboden. „In der Literatur gibt es aber zu wenige davon“, findet die 26-Jährige. Deshalb ist es für sie besonders spannend, auch in den vermeintlich schwächeren Parts die Kraft, aber auch die Unebenheiten aufzuspüren und zu zeigen. Derzeit ist sie an der Württembergischen Landesbühne in Esslingen in Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ in der Rolle der etwas dümmlichen Dozenten-Ehefrau Honey zu erleben. Auf den ersten Blick geht sie im Universitätsmilieu unter.

Gemeinsam mit dem Regisseur Alexander Müller-Elmau hat die junge Künstlerin aber ein Rollenporträt entwickelt, das die Figur in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. In dem grausamen Spiel zweier ungleicher Ehepaare befreit sie sich aus der Rolle der betrunkenen Ja-Sagerin, stellt kluge Fragen, bringt Licht ins Dunkel kaputter Beziehungen. Die Ausflüge des amerikanischen Dramatikers ins Theater des Absurden reizen die Künstlerin.

Theater zu spielen und selbst auf der Bühne zu stehen, das war schon immer Nathalie Imbodens Ziel. Geboren wurde sie in Baden in der Schweiz, aufgewachsen ist sie in Aarau. „Meine Eltern hatten nichts mit dem Theater zu tun, aber meine Großmutter war Schauspielerin.“ Ihr Großvater Hannes Schmid war Dramaturg am Schauspielhaus Zürich und Theaterkritiker, hat der Enkeltochter die Liebe zur Bühne und zur Theaterliteratur in langen Gesprächen vermittelt.

Nach der Schule war es für die junge Schweizerin klar, dass sie Schauspiel studieren wollte. Um den eigenen Horizont zu weiten, entschied sie sich, nach Deutschland zu gehen. An der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg hat sie ihr Studium absolviert. Für die Theatererfahrungen, die sie dort sammelte, ist Nathalie Imboden dankbar: „Da habe ich gelernt, selbst Verantwortung zu übernehmen und Haltung zu zeigen.“ Wie eine Puppe einfach auszuführen, was die Regie sagt, das wäre ihre Sache nicht. Denn die junge Frau mit dem langen braunen Haar ist reflektiert, hakt nach, peitscht ihre Bühnenfiguren an Grenzen.

Mit ihrer leidenschaftlichen, aber kritischen Art passt sie bestens ins Ensemble der Esslinger Landesbühne, dem sie seit 2019 angehört. Die Intendanten Friedrich Schirmer und Marcus Grube haben die junge Frau noch in der Ausbildung für die Produktion „Die barmherzigen Leutʼ von Martinsried“ aus der Feder von Oliver Storz engagiert. Das Stück aus dem Jahr 1989 basiert auf einer wahren Begebenheit. Die Geschichte der Dorfbewohner, die 300 im Zug gestrandete KZ-Häftlinge mit Essen versorgten, dann aber doch in den Tod schickten, hat Imboden betroffen gemacht. Rassismus und Fremdenhass sind für sie Themen, die heute wieder aktuell sind.

Da spielte Nathalie Imboden ein junges Mädchen, das anfangs für die Ideale der Nationalsozialisten brennt. Im Bund Deutscher Mädel verehrt sie Adolf Hitler. „Angesichts des Elends, das sie sieht, denkt sie aber um“, beschreibt die Spielerin die Wandlung, die sich in ihrer Figur vollzieht. Diesen Prozess zu zeigen, war für die junge Künstlerin ein perfekter Start in den Beruf. Über Geschichte zu sprechen, das ist Imboden wichtig. Dass sie diese Inhalte vermitteln darf, findet sie die schönste Seite an ihrem Beruf: „Ich habe das Glück, in so viele Leben und Geschichten einzutauchen.“

Wie schwierig das manchmal sein kann, hat sie bei der Arbeit an der Rolle der Ismene erfahren. In Sophoklesʼ 2500 Jahre alter Tragödie hat sie die Schwester der Protagonistin verkörpert, die sehr viel vorsichtiger und weniger mutig ist. Lustvoll tauchte Imboden da in die antike Sprache ein. Diese Wortkunst gemeinsam mit dem Ensemble zu lernen und zu pflegen, war für sie eine sehr schöne Erfahrung. Dass sie in Esslingen mit jungen wie auch mit erfahrenen Spielerinnen und Spielern arbeiten darf, gefällt Nathalie Imboden: „Wir profitieren sehr voneinander.“ In dem Ensemble arbeiten viele ehemalige Weggefährten der Theatergröße Friedrich Schirmer. Da gebe es aber keinesfalls strenge Hierarchien, sagt Nathalie Imboden und lacht. Sie freut sich, wenn sie die erfahrenen Kollegen mit ihrer Neugier und mit jugendlicher Lust am Experiment anstecken darf. //

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