“Show You’re Not Afraid. Go Shopping!”
von Florian Thamer
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
„Zeigen Sie, dass Sie keine Angst haben. Gehen Sie einkaufen!“1 Diesen Appell richtete der damalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 via Fernsehen an die Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt. Die Intention, die diesem emphatischen Aufruf zu Grunde lag, war, die Botschaft in die Welt zu senden, „that the city of New York – and the United States of America – is much stronger than any group of barbaric terrorists“.2 Er forderte die Leute dazu auf, ein trotziges Zeichen des patriotischen Widerstands zu setzen: Ja, wir wurden ins Herz getroffen, aber nein, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir gehen trotzdem auf die Straße!
Auffällig daran ist allerdings, dass diese symbolische Demonstration ‚nationaler Einigkeit‘, sich trotz der vorgeführten permanenten Verwundbarkeit weiterhin frei im öffentlichen Raum zu bewegen, an die Tätigkeit des shopping geknüpft wurde. Wurde hier Einkaufen zur ersten Bürgerpflicht?
Um diese Frage tiefergehend und weiterführend zu beantworten, möchte ich im Folgenden zwei Modellfälle beschreiben, die maßgeblich zum Verständnis der Herausbildung des modernen Konsumkapitalismus und dessen Verknüpfung mit herrschaftspolitischen Ansätzen beitragen könnten.
In seinem Buch Inszenierte Wirklichkeit. Kapitel einer Kulturgeschichte des Theatralen zeigt Joachim Fiebach bereits auf,...