Die Protagonisten in Heiner Müllers „Der Auftrag“ beschließen, einem zum qualvollen Tod verurteilten Jamaikaner nicht zu helfen, um ihr revolutionäres Unterfangen nicht zu gefährden. In dieser Situation stimmt die Schauspielerin Evamaria Salcher „Strange Fruit“ an. Es gibt viele dieser berauschend starken Momente, die sich aus der Gleichzeitigkeit, der Überlagerung von Motiven, Stoffen, Erzählungen ergeben. Wie mit einem Vergrößerungsglas legt sich ein schauriger Kontrast zwischen Poesie und Grauen auf den Abel-Meeropol-Song, der seine Kraft selbst aus eben dieser Verquickung schöpft. Wer die Geschichte kennt, wie die aus prekären Verhältnissen stammende Billie Holiday „Strange Fruit“ zur Hymne gegen Rassenhass gemacht hat, entdeckt in dieser kurzen Überblendung ein monumentales Diptychon zur afroamerikanischen Leidensgeschichte.
In Gockels Arbeit, die Georg Büchners Drama „Dantons Tod“ mit Heiner Müllers „Der Auftrag“ verschränkt, regiert die sprichwörtliche Vielschichtigkeit. Die Engführung der beiden Werke zur Revolution eröffnet neue Perspektiven auf den jeweiligen Text und lenkt den Blick dadurch gleich weiter zu historischen und aktuellen Parallelen. Gockels dramatische Montage ist eine Einladung zur Assoziation – und das, obwohl (oder gerade weil) sie diese im herkömmlichen Rahmen von Bühne (Julia Kurzweg) und Kostüm (Sophie du Vinage) weitgehend verweigert. Sie stößt eine fatalistische Rundschau an. In immer neuen dialektischen Schleifen scheint die Revolution...