„Ich habe einen Stein abbekommen“ – der junge Mann in der vorletzten Sitzreihe des großen Reisebusses in der Kieler Innenstadt vermeldet das fast etwas schüchtern. Von vorne tönt es schnarrend zurück: „Ich bin stolz auf mein Korps. Hurra! Musik.“ Aus den Lautsprechern des abgedunkelten Nightliner erklingt leise der langsame Satz aus Schuberts C-Dur-Quintett, der Bus setzt sich sanft schaukelnd in Bewegung.
Der junge Mann hat natürlich niemals einen Pflasterstein zu Gesicht bekommen, der schnarrende Kommentator ist ein Schauspieler in der Offiziersuniform der Kaiserlichen Marine des Jahres 1918. Der Bus transportiert die Zuschauer des Stücks „Neunzehnachtzehn“ durch die Stadt. Geschrieben wurde es 2008 von Robert Habeck und Andrea Paluch, die seit 1999 als Autorenduo arbeiten, weit bevor Habeck als Politiker Karriere machte; heute ist er Bundesvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen.
Der Regisseur Michael Uhl hat die Textcollage, wohl wissend um die Tradition des Stationendramas im Expressionismus, auf verschiedene Orte in der Stadt verteilt, Schauplätze der realen Revolte der Kieler Matrosen in den letzten Kriegstagen 1918 werden neu bespielt. Die Zuschauer werden zunächst in Gruppen eingeteilt und mit jeweils andersfarbigen Taschenlampen ausgestattet: Blau für Offiziere, Weiß für Matrosen, Rot für Arbeiter. Schauspieler des Kieler Ensembles begleiten die Gruppen, erläutern Schauplätze...