Theater der Zeit

„Manches merkt man sich bloß, weil es mit nichts zusammenhängt“

Fragen beim Bau von Eraritjaritjaka

von Heiner Goebbels

Erschienen in: Recherchen 96: Ästhetik der Abwesenheit – Texte zum Theater (08/2012)

Der titelgebende Aphorismus aus Elias Canettis erstem Aufzeichnungsband Die Provinz des Menschen1 liest sich zunächst wie eine launige Koketterie. Erst beim näheren Hinsehen entpuppt er sich als mögliche Schlüsselformel für den Reiz seiner Texte, für seine spezifische Aufmerksamkeit auf und seine manischen Abgrenzungswünsche gegen das Zusammenwirken und Zusammensein von allem und jedem. Im gleichen Band entwirft er nämlich auch

ein Reich, in dem die Menschen sich nur auf Entfernung lieben, ohne sich je zu sehen. Ein Liebender darf nie erfahren, wie seine Geliebte wirklich aussieht. Indiskretionen in dieser Richtung werden schwer bestraft, wie bei uns Notzucht. Auch im Leben dieser Menschen gibt es Tragödien: wenn einer z. B. erfährt, daß er die Frau, die er sich zu seiner Liebe ausgesucht hat, von irgendwoher kennt. Er ist dann so entsetzt über sich, wie ein Ödipus bei uns. Es ist manchmal nicht leicht für Liebende, sich zu vermeiden. Aber sie wissen, mit der ersten Begegnung ist alles zu Ende. Es ist ihnen nicht möglich, einen Menschen zu lieben, den sie kennen; sie sind gute Beobachter und mit wem sie einmal gesprochen haben, der ist durchschaut. Wie sollten sie für ein solches erkanntes Geschöpf noch Liebe aufbringen können.2

Er belegt mit...

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