Keine Sahnetorte ohne Sahne
Wie Rieke Süßkow Freiheiten im Theater schafft
von Lina Wölfel
Erschienen in: Arbeitsbuch 2024: Werk-Stück II – Die neue Regie-Generation (07/2024)
Assoziationen: Rieke Süßkow Staatstheater Nürnberg Theater Osnabrück
Meine erste (professionelle) Theaterkritik habe ich 2019 über das Spieltriebe-Festival am Theater Osnabrück geschrieben. Fünf Inszenierungen, gequetscht in etwas über 4.000 Zeichen Festivalbericht. Am zweiten Tag, nach der dritten Aufführung und zweiten Installation betrete ich mit zwei anderen Journalist:innen den Zuschauerraum des emma-theaters. Die Bühne ist mit einem rot-pink schimmernden Stoff verhängt, der später noch über unsere Köpfe gespannt wird. Die folgende Inszenierung von Kevin Rittbergers „IKI. radikalmensch“ wird mein Festivalhighlight werden. Die moderne Überschreibung eines bürgerlichen Trauerspiels zwischen dem Mensch Peter und seiner Künstlichen Intelligenz IKI. Ein Abend, der die Sinne anspricht, seine zunächst wohlig weiche Ästhetik wird schon bald kühl und bedrängend. Schon Jahre vor ChatGPT enthüllt der Abend, dass die Art, wie wir künstliche Intelligenzen heute denken, mehr ein Spiegel unserer geheimen egozentrischen Wünsche als ein futuristischer Lebensentwurf ist. Die Konsequenz, mit der die Inszenierung nicht versucht zu viel zu wollen, sondern Aussagen klar zu definieren und ästhetisch erfahrbar zu machen, hat mich beeindruckt.
Regie bei „IKI. radikalmensch“ führte Rieke Süßkow. Geboren 1990 in Berlin, studierte sie Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. Neben ersten Hospitanzen und Assistenzen entstanden in Wien Rieke Süßkows erste eigene Regiearbeiten in der Freien Szene. Mit ihrem Regiedebüt „Die Beauty Queen von...