Theater der Zeit

lausitz

Theater in der Oberlausitz

Kartografie der Theater-Lausitzen II

Die Lausitz in Brandenburg und Sachsen verbindet Naturschönheit mit der gewaltigsten Landschaftsumgestaltung der Bundesrepublik und immer neuen Transformationsplänen. Mit den fünf Theaterstädten Cottbus, Senftenberg, Bautzen, Görlitz, Zittau bildet sie auch eine eigene Theaterlandschaft als Kulturträger.

von Michael Bartsch

Erschienen in: Theater der Zeit: Sterne über der Lausitz – Die Schauspielerinnen Lucie Luise Thiede und Susann Thiede (03/2022)

Assoziationen: Sachsen Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau

In seiner deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit ist das Deutsch- Sorbische Volkstheater in Bautzen unter professionellen Theatern einmalig. Foto Gabriele Suschke
In seiner deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit ist das Deutsch- Sorbische Volkstheater in Bautzen unter professionellen Theatern einmalig.Foto: Gabriele Suschke

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Auch die Theater der Oberlausitz verdanken ihre Existenz überwiegend der Stadttheater-Gründungswelle des 19. Jahrhunderts. Sie gehören heute zum Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien, dessen Träger die beiden Landkreise Bautzen und Görlitz sind. Diese Bildung von regionalen Kulturzweckverbänden wurde 1993 mit dem Sächsischen Kulturraumgesetz eingeführt. Der Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien ist nach Fläche zwar der größte der fünf ländlichen und drei urbanen Räume in Sachsen. In den beiden Kreisen leben aber derzeit nur etwa 560 000 Einwohner, denen mit Görlitz, Zittau und Bautzen immerhin drei regelmäßig bespielte Theaterstandorte zur Verfügung stehen.

Das älteste Theater der Region wurde 1796 als „Komödienhaus“ in Bautzen eingeweiht. Es befand sich am Lauengraben, ­einige Hundert Meter entfernt vom heutigen Standort. Ein Jahrhundert nach dem großen Umbau von 1868 wurde es auf dem Höhepunkt der teils barbarischen Stadtumgestaltungswelle in der DDR gesprengt und abgerissen. Erst 1963 hatten sich das Stadttheater und das 1948 gegründete Sorbische Volkstheater zusammengeschlossen. Der Neubau an den Schilleranlagen 1975 sollte besser in das Bild der angestrebten sozialistischen Stadt passen. 2003 öffnete eine zweite Spielstätte an der Bautzener Ortenburg, wo schon seit 1996 ein jährlicher Theatersommer stattfand. Das Haupthaus wurde 2004 saniert und brandschutztechnisch ertüchtigt.

In seiner deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit gilt es unter deutschen Berufstheatern als einmalig. Das Besucherpotenzial für sorbische Aufführungen ist allerdings nach fünf bis sechs ­Vorstellungen erschöpft. Immer noch nicht ganz verkraftet ist die Auflösung des Musiktheater- und Ballettensembles 1992. 1999 beschloss der Kulturraum nach sieben Stagione-Jahren endgültig die Auflösung der Sparte und die Aufgabenteilung mit Görlitz. Seit dieser Zeit amtiert Intendant Lutz Hillmann. Auch als Antwort auf Ressentiments gegenüber Flüchtlingen wurde 2018 in Theaternähe das soziotheatrale Thespis-Zentrum gegründet.

Das opulente Flair der Gründerzeit verströmt das 1851 eröffnete Theater Görlitz im oberhalb der Neiße gelegenen Stadtzentrum, gleich neben dem alten Kaisertrutz. In der Folgezeit wechselten Ausschmückungen und Vereinfachungen bei Umbauten. Das Vier­spartentheater ist seit 1999 Musiktheater- und Ballett-Monopolist im Kulturraum. Auch die Neue Lausitzer Philharmonie hat hier ihren Sitz. Von 1963–1989 war Görlitz schon einmal mit dem Zittauer Haus vereinigt. Nach schwierigen Existenzkämpfen fusionierten beide Standorte 2011 erneut zum Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau, abgekürzt GHT. In der GmbH dominiert Görlitz, Zittau versucht, sich mit dem Schauspiel zu behaupten.

Zittau im Dreiländereck mit heute nur knapp 25 000 Einwohnern leistete sich schon 1802 als eine der ersten deutschen Städte ein Stadttheater. Nach dem Brand von 1932 galt der schon 1936 eröffnete Ersatzbau des „Grenzlandtheaters“ als der modernste Theaterneubau Deutschlands. In schwere Bedrängnis geriet Zittau nach 1990, überlebte zwei Jahre nur als ABM-Theater. Seit der Fusion mit Görlitz ist zumindest relative Stabilität eingezogen. Im nahen Klosterhof pflegt das GHT eine Sommerspielstätte. Der Charakter als Grenzlandtheater hat sich im positiven Sinn erhalten. Es kooperiert mit dem tschechischen Liberec und dem polnischen Jelenia Góra, etwa im Rahmen des J-O-S-Jugendfestivals. Bespielt wird auch die Waldbühne in Jonsdorf.

Eigentlich verfügt auch Kamenz seit 1833 über ein Stadttheater, das aber nur noch als Veranstaltungsort dient. Ein ungleich größerer Auftrittsort ohne eigenes Ensemble ist die 1984 eröffnete Lausitzhalle Hoyerswerda. Das vor 70 Jahren gegründete Sorbische Nationalensemble wiederum verfügt in Bautzen über einen eigenen kleineren Vorstellungssaal, befindet sich aber mehr auf Gastspielreisen. Chor, Orchester und Ballett bieten eigene Programme, bei denen die sorbische Volkskultur aber oft nur noch Kulisse ist.

Wohl kaum eine andere deutsche Theaterlandschaft ist in den vergangenen 30 Jahren so oft Objekt von Einsparstudien gewesen wie die Lausitz. Mit ihnen sollten die finanzschwachen Landkreise entlastet werden. Die Fusion von Bautzener Theater und Sorbischem Nationalensemble wurde vorgeschlagen, Spartenschließungen und immer wieder die Reduktion auf ein einziges Kulturraumtheater. Zuletzt sorgte vor Jahresfrist die Münchener actori-Kulturberatung für Empörung, als sie im Auftrag des Kreises Görlitz drastische Abbauszenarien durchspielte. //

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