Report
Chai Latte für die Chefanklägerin
Ein Showcase im albanischen Tirana verortet sich zwischen Tradition und Zukunft
von Lina Wölfel
Erschienen in: Theater der Zeit: Radikal anders – Kulturhauptstadt Chemnitz (12/2024)
Assoziationen: Europa
Albanien, das kleine Land in Südosteuropa boomt. Allein in den letzten beiden Jahren wurden in der Hauptstadt Tirana zahlreiche Bauprojekte mit internationaler Förderung gestartet, der Tourismus floriert, verstärkt seit Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen 2022. Kein Wunder also, dass sich auch die Theaterszene des Balkanstaats einem internationalen Publikum präsentieren möchte. So findet der Kosovo-Albania-Theatre-Showcase, eine Art Leistungsschau des Theaters dieser Balkanregion, in diesem Jahr erstmalig in Tirana statt – und nicht, wie die Jahre zuvor im kosovarischen Pristina.
„Die Mauern zwischen Ost und West, der Eiserne Vorhang an der ungarischen Grenze, die Berliner Mauer, die Mauer in Albanien sind gefallen, aber sind die Mauern in den Köpfen der Menschen auch gefallen?“, fragt Ema Andrea. Das albanische Theater ist nach Nordmazedonien die unterfinanzierteste Theaterszene Europas. Lange hat man versucht, mit dem Fernsehen mitzuhalten, das Publikum mit Komödienadaptionen und Unterhaltungsformaten überhaupt in die Theater zu locken. Theater als kommerzialisiertes Unterhaltungsmedium, das sich gut verkauft. Die Entwicklung dahingehend, Theater als Diskurs- und Verhandlungsinstanz zu begreifen, ist noch neu. Was auch am System an sich liegt: Altin Basha, Generalintendant des Albanischen Nationaltheaters, spricht mit dem Kulturminister Albaniens aktuell über einen Systemwechsel. „Die Theater funktionieren wie Inseln, sie sind nicht miteinander verbunden. Agieren solitär. Selbst innerhalb Albaniens...