Camilla Hägebarths Bühne ist ein bis zur Brandmauer offener Arbeitsort. Zwei heruntergelassene Zugstangen machen auf Ballettsaal, und zu einer Mischung aus extrahohem Podest und überbreitem Hochsitz führt eine Gangway aus Stahl hinauf. Die Schauspieler sind unterschiedlich grau gewandet und machen sich schon mal warm, denn was nun folgt, ist eine Art Trainingseinheit im Identitätendschungel, zu der aus dem Off ein paar Stimmen ertönen, die den Wert von Großeltern oder das Zuhausesein in der Muttersprache thematisieren, die Heimat, die Freunde bedeuten, oder das Fremdbleiben in der Fremde.
Nach dem Theater Oberhausen hat sich nun auch das Münchner Volkstheater an den Erinnerungsroman „Herkunft“ gewagt, mit dem Saša Stanišić 2019 den Deutschen Buchpreis gewann. Die vom Autor genehmigte Textfassung bringt dessen assoziatives Gefüge, sprachliche Finesse und philosophischen Sub- und Metatext trotz naturgemäßer Kürzungen erstaunlich unbeschadet vom Papier auf die Bühne. Wobei Regisseur Felix Hafner und seine sechs Akteure sich vornehmlich für das Allgemeingültig-Überzeitliche im Familiengeschichtlich-Anekdotischen interessieren.
Jan Meeno Jürgens, Pola Jane O’Mara, Jakob Immervoll, Jonathan Müller, Nina Steils und Anne Stein erzählen mal chorisch, mal durcheinander, mal den Erzählfaden weiterreichend aus wechselnden Perspektiven und in verschiedenen Rollen. So entsteht nach und nach und analog zur Sprung- und Fragmenthaftigkeit der Vorlage ein szenisches Mosaik,...