Den ersten nationalsozialistischen Dichter der Vergangenheit nannten ihn die einen. Eine Londoner Emigrantenbühne dürfe mit gutem Recht Kleist spielen, sagten die anderen. Unter Hitler wurden Kleists Werke vor Autobahnarbeitern, vor Veteranen des Ersten und Frontsoldaten des Zweiten Weltkriegs gespielt. Sie wurden für Film, Oper und Ballett bearbeitet und selbst seine kleinen Schriften oft in Programmheften und in der Tagespresse nachgedruckt. Aber auch manche Regimegegner und ins Exil Getriebene erkannten sich in seinen Gestalten wieder.
Die Wirkung Kleists als ein Schlüssel zur kulturellen und politischen Mentalitätsgeschichte jener Jahre wird hier anhand teilweise unveröffentlichter Dokumente episodisch erzählt, unter einem den „Betrachtungen über den Weltlauf" entlehnten Leitgedanken: Der Rückgriff auf die Vergangenheit kann Heroismus und Dekadenz in einem ganz anderen Verhältnis zeigen als ideologisch erwünscht.