Magazin
Kritik aus Enttäuschung
Peter Handke: Zwiegespräch. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022, 68 Seiten, 18 Euro
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Was soll das Theater jetzt tun? – Eine Umfrage (05/2022)
Assoziationen: Buchrezensionen
Peter Handkes neuestes Buch wird mit Sicherheit bald auch die Bühnen erreichen. Denn das „Zwiegespräch“, ohne Gattungszuweisung des Autors, ist zwei großen Schauspielern gewidmet, beide in den letzten Jahren verstorben und unsterblich als die Engel über Berlin in Wim Wenders’ Film, für den Handke das Drehbuch schrieb: Bruno Ganz und Otto Sander. So wird man sich die beiden beim Lesen des Dialogs vielleicht in Erinnerung rufen, aber es können auch andere sein. „Genug jetzt ins Leere geschaut“ lautet der erste Satz, der auch einen Beckett-Dialog in Gang setzen könnte. Es gibt eigentlich nichts direkt zu besprechen, sondern eher als eine Möglichkeit des Erzählens zu umkreisen oder als Spiel aufzumachen. So erinnert sich der eine an seinen Großvater als „eine Spielernatur“, um zu sinnieren: „Das Idealisieren der Ahnen ist Teil der Materie“. Dass vieles von Handkes Werk sich wesentlich aus seiner eigenen Familien-Mythologie speist, darf hier mitgelesen werden. Bis zurück zu seinem ersten Roman „Die Hornissen“ (1966), der hier in loser Assoziation als konkret bekämpftes Hornissennest in der Geschichte des Großvaters erscheint. „Zwiegespräch“ kann somit auch als spurensuchende Rückblickspoesie gelesen werden, für zwei Stimmen des einen Handke.
Wer nun nach Äußerungen zu den Ereignissen unserer Gegenwart oder Bekundungen zu den Diskussionen um den Nobelpreis für Handke in dem Buch sucht, wird darin kaum etwas finden. Das wäre auch die völlig falsche Einstellung für eine Lektüre. Aber es gibt darin eine dezidierte Kritik des Gegenwartstheaters, eine fundamentale Enttäuschung des Theaterautors, der über mehr als fünfzig Jahre, von der „Publikumsbeschimpfung“ bis zuletzt „Zdeněk Adamec“, das Theater mit seinen Stücken immer wieder bis heute produktiv herausgefordert hat: Das Theater habe „seinen Moment verloren“, englisch „he lost his momentum“, verglichen mit einem Bogenschützen, „der den Pfeil entweder zu früh oder zu spät von der Bogensehne schnellen läßt“. Da ist es auch kein Trost, dass es dem Film nicht anders ergeht, so die zitierte Stimme.
Am Ende geht es um „das Recht auf Ruhe“, zugleich im Sinne von Ruhe geben und Ruhe haben. Beides ersehnt, gibt es das nicht für diese beiden Stimmen Handkes. //