„Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.“ Der bekannte erste Satz aus Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ über den Charaktertyp der deutschen Kaiserzeit eröffnet auch die Bühnenfassung von Jan-Christoph Gockel und Dramaturgin Julia Weinreich in Dresden. In der originellen Anlage dieser Adaption wird Diederich als Puppe aus dem Kinderbett gehoben, um mit ängstlich umherblickenden Augen und einer mikroportverzerrten Stimme ihres Puppenspielers Michael Pietsch in die Inszenierung zu tappen.
Die große Idee der Regie besteht darin, den Puppen-Diederich auf der Bühne beizubehalten, während sein mittlerweile erwachsenes Pendant, gespielt von Jannik Hinsch, seine Sozialisation in Studium, Burschenschaft, Eheanbahnungsgeschäft und väterlicher Papierfabrik durchläuft. So kann das gnomenhafte Geschöpf eine Art zweites Ich einer inneren Stimme sein, als Kommentar erlebt werden oder daran erinnern, wie im harten Untertan seiner Majestät letztlich immer noch ein weiches Kind steckt – ganz wunderbar!
Im ersten Teil vor der Pause werden die einzelnen Stationen dieses Entwicklungsromans in markanten Szenen auf der für wechselnde Schauplätze eingerichteten Drehbühne durchlaufen, so zum Beispiel der Bierkeller, wo die patriotisch gesinnten Studenten ihre Salamander-Trinkrituale abhalten; ein riesiger Haufen Lumpen steht für die Papierfabrik, in der die politischen Auseinandersetzungen aufkeimen. Jannik...