Versfuß und Versmaß
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Grundsätzlich unterscheiden wir zweisilbige und dreisilbige Takte. Zweisilbige Takte können mit einem Auftakt wie in dem Wort Getier oder ohne einen Auftakt wie in dem Wort Tiere beginnen. Im ersten Fall bezeichnen wir den Versfuß als jambisch, im zweiten Fall als trochäisch. Wir können einen jambischen Versfuß auch als einen Trochäus mit einem Auftakt betrachten. Dreisilbige Takte können auf der ersten Silbe eine Hebung aufweisen wie in dem Wort Tiergestalt. Dann sprechen wir von einem Daktylus. Liegt die Hebung auf der letzten Silbe wie im Wort Schweinerei, haben wir es mit einem Anapäst zu tun. Die Übertragung des antiken Spondeus in das metrische System der deutschen Sprache bleibt eher theoretisch. Im Spondeus treffen sich zwei Hebungen wie in dem Wort nasskalt. Zwei exakt gleiche Hebungen lassen sich praktisch nur mit einer Unterbrechung zwischen den Silben realisieren, was nicht in jedem Fall sinnvoll ist. Darum können aus Spondeen im fortlaufenden Sprechen Trochäen werden. Sie treten als rhythmische Varianten des Daktylus im Hexameter auf. Werden die rhythmischen Strukturen, die sich aus den Füllungen der Versfüße ergeben, in bestimmter Weise zusammengesetzt, ergeben sich übergeordnete Versmaße. Der Hexameter begann sich im 18. Jahrhundert in Deutschland zu etablieren. Das Versmaß setzt sich aus sechs daktylischen...