Die Kunst ist lang! Und kurz ist unser Leben.“ Dieser Vers aus Goethes erstem Teil des „Faust“ passt wie kein anderer zu den Inszenierungen Frank Castorfs. Überlänge hat sich zur Marke des Regisseurs und scheidenden Intendanten der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin entwickelt. Tatsächlich dauert Castorfs „Faust“ über sieben Stunden. Was man dafür geboten bekommt, ist ein ausschweifender Theaterabend und ebenso ausschweifender Essay über den Kolonialismus. Was das miteinander zu tun hat? Allerlei, wie Castorf und weitere Autoren in dem zur Premiere erschienenen Büchlein „Wie man ein Arschloch wird. Kapitalismus und Kolonisierung“ darlegen. Ausgangspunkt ist die im zweiten Teil des „Faust“ von Mephistopheles ausgesprochene Frage: „Was willst du dich denn hier genieren? Musst du nicht längst kolonisieren?“ Schon in „Reise ans Ende der Nacht“ (2013), „La Cousine Bette“ (2013) und „Baal“ (2015) hatte Castorf den Kolonialismus verhandelt. Ähnlich wie Goethes „Faust II“, der Generationen von Germanisten durch die Fülle an Anspielungen und Verweisen auf die Mythologie beschäftigte, verhält es sich mit Castorfs Bühnenfassung: Sie ist mit Zitaten derart angereichert, dass Lust und Frust der Enträtselung nahe beieinanderliegen.
Die vielen Zitate sind wie die zahlreichen Telefonkabel, die sich über die Drehbühne von Aleksandar Denić erstrecken, sie transportieren eine Information, sind aber...