Kunst und Leben
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Abschließend stellt sich die Frage nach der Schranke der Kunstfreiheitsgarantie und damit, wie weit die Kunstfreiheitsgarantie in Bezug auf Aufführungen reicht. Denn das Bundesverfassungsgericht denkt den Schutzbereich der Kunstfreiheitsgarantie von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG von den Schranken her, indem es Kunst von »Nicht-Kunst«1751 abgrenzt.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits in Kapitel F.II ausgeführt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ein weiteres wesentliches Strukturmerkmal voraussetzt: die Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst, also zwischen Kunst und Wirklichkeit. Diese Differenz wurde beim materiellen Kunstbegriff dahingehend bestimmt und begriffen, dass Kunst eine gegebene, vorgängige Wirklichkeit darstellt, nämlich den individuellen Stand seines Urhebers, und beim offenen Kunstwerk dahingehend, dass im Kunstwerk eine Wirklichkeit sui generis erschaffen wird, nämlich die gedankliche Vorstellung an sich, die nur im Kunstwerk aufgefunden werden kann. Diese Trennung von Kunst und Wirklichkeit, ihre Autonomie, garantiert dem Künstler seine Kunstfreiheit und schützt ihn vor staatlicher Ingerenz.
Diese Autonomie der Kunst gegenüber der Wirklichkeit ist in Aufführungen des Theaters und der Aktions- und Performancekunst problematisch. Denn die Handlungen sind selbstreferenziell insofern, als sie das bedeuten, was passiert, und sie sind wirklichkeitskonstituierend, dadurch dass sie die soziale Realität erzeugen, von der sie handeln. Dies gilt ebenfalls für die...