Editorial
Editorial
von Thomas Irmer und Nathalie Eckstein
Erschienen in: Theater der Zeit: Freie Szene – Occasions – Ereignisse im Raum (04/2023)

Die freie Szene, diese zweite Säule der deutschsprachigen Theaterlandschaft, ist das Thema dieses Heftes. Von der Pandemie und ihren Folgen noch härter betroffen als die Theater in staatlicher und kommunaler Trägerschaft, bekommt die Diskussion um ihre Förderung in Deutschland eine neue Dringlichkeit, wie der Dramaturg und Experte Henning Fülle schreibt. Die Post-Corona-Perspektive bildet aber nur einen Teil dieser Diskussion, die letztlich zu neuen förderpolitischen Entscheidungen führen will. Denn in den letzten zwanzig Jahren haben sich die Produktionsverhältnisse verändert. Die einst einzeln und frei produzierenden Gruppen – Autonomie galt ihnen als höchster Wert – hängen heute oft an den größeren organisatorischen, finanziellen und kuratorischen Zusammenhängen von koproduzierenden Festivals und Produktionshäusern. Eine durchaus ambivalente Entwicklung. In Thüringen wird ein solches Produktionshaus gerade geplant, und unser Thüringen-Redakteur Michael Helbing weiß, warum dafür noch nicht einmal der Standort feststeht. Stefan Keim stellt die inzwischen sehr ausdifferenzierte Programmarbeit des Mülheimer Ringlokschuppens vor, Elisabeth Maier das mit dem Faust-Theaterpreis ausgezeichnete Schaudepot in Stuttgart.
In Ungarn geht es indes um die Existenz der freien Szene, deren Protagonist:innen wie Árpád Schilling oder Béla Pintér einst das internationale Theateraushängeschild des Landes waren. Mit der kulturpolitischen Ausrichtung der Regierung von Viktor Orbán ab 2010 wurde die besondere Bedeutung der Freien...