Ende Oktober kündigten die Vereinten Nationen ein Waffenembargo gegen mehrere europäische Staaten an, darunter Deutschland. Grund waren massive Verstöße gegen die Pekinger Erklärung, eines der umfassendsten Konzepte zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, das bereits 1995 von 189 UN-Mitgliedstaaten verabschiedet worden war. In Europa indes, so Bizimungu Jean-Pierre, herrsche völliger Stillstand. In Ruanda etwa sitzen derzeit 61 Prozent Frauen im nationalen Parlament. 31 Prozent sind es im deutschen Bundestag. „Wie kann das sein?“, ruft Bizimungu Jean-Pierre alias Wesley Ruzibiza, unechter UN-Abgeordneter und einziger Mann in dieser feministischen Performance. „Wie kann das sein im Jahr 2020?“
Blickt man auf die Geschichte der freien Theater- und Performance-Szene, scheint das Schuldpotenzial zunächst gering. Vom Druck eines für das Abonnement zu spielenden Stücke-Kanons befreit und in kleine, agile, mehr oder weniger hierarchielose Produktionskollektive unterteilt, gab es in den vergangenen Jahrzehnten kaum eine Emanzipationsbewegung, kaum eine Minderheit, die in der freien Szene nicht performativ und diskursiv auf die Bühne gebracht wurde. Wer hier Frau sagt, gerät automatisch ins Stottern, geht es doch längst nicht mehr nur um das binäre Geschlecht. Mit Fokus auf kulturelle, ethnische, soziale und sexuelle Differenzen wird entschieden Identitätspolitik betrieben. Alles bestens also? Nicht so ganz. Steckt in diesem Programm doch eine...