Zeit schürfen
Erschienen in: And here we meet: Choreography at the edge of time – Alexandra Waierstall (06/2025)
„Denn nichts ist himmlischer,
als zu widerstehen und zuzulassen;
zuzulassen und zu widerstehen.“
(Virginia Woolf)
Mit Zeit lässt sich arbeiten wie in einer Mine: Man kann ihre Dicke messen, Tunnel in ihr ausbessern, man muss mit den Einstürzen leben, mit den Erdrutschen und Katastrophen. Und doch entreißt man dem Geheimnis ihrer langsamen Bewegung nur den Diamanten eines Augenblicks: Das funkelnde Auftreten (oder Unfall) einer Ordnung, einer Symmetrie, einer Synchronie, ist stets ein Wunder. Die Beziehung zwischen Zeit und Schicksal war schon immer eine geometrische Vermutung. Eine streng genommen abenteuerliche Vermutung – und das Wahngebilde einer Kalkulation – wie das Fieber der Goldgräber des letzten Jahrhunderts in ihrem Wettbewerb um die Aufschüttung phantasmagorischer Reichtümer, das so wenig konkret goldene Resultate erbracht, so eine abstrakte Aura hervorgerufen hat.
Zeit schürfen ist die magische Annahme eines Klumpens von Ordnung – das Wunder, in molekularen Begriffen von molaren Angelegenheiten sprechen zu können, von Dauer, vom Brocken, vom Felsen, von der unvorstellbaren Masse einer düsteren Zeit, ohne Ränder oder Chronologie. Zeit zu schürfen bedeutet, den Körper zur Erweiterung dieser dunklen Materie zu machen, die, wie ein Versprechen von Licht, ihr Potential für Ordnung miteinschließt. Gold ist die materielle Metapher für die undenkbare Biokompatibilität einer Zeit,...