Kolonialismus und imperiale Modernisierung
Transkulturelle theatrale Darstellungen: Beni Ngoma in Ostafrika
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die Einwirkungs- und Anziehungskraft der kulturellen Institutionen und Praktiken war eine wesentliche Dimension der gleichsam unwiderstehlichen Macht der siegreichen Europäer (Weißen). Mit der sich erweiternden herrschaftlichen Inbesitznahme der Welt seit Ende des 18. Jahrhundert begann so auch ein Prozess, der zu dem geführt hat, was heute tendenziell als ein Prozess erscheint, in dem die gegenseitige Befruchtung unterschiedlicher Darstellungskulturen zu eigenartigen international (global) kursierenden „transkulturellen“ Produktionen führt. Vielleicht einzigartig für diese mit dem europäischen Kulturimperialismus beginnende weltweite Verzahnung theatraler Formen waren die Beni Ngoma (Beni-Tänze bzw. -Performances), die Ende des Jahrhunderts in Ostafrika begannen. Sie zielten nicht wie in fast allen anderen Fällen auf Vereinnahmung des kolonial importierten Theaters mit Guckkastenbühne und dem regelmäßigen trivialen oder klassischen Drama. Außer für die darstellende Militärmusik interessierten sie sich wohl überhaupt nicht für künstlerische Tätigkeiten der britischen und deutschen Besatzer, sondern versuchten sich an der Demonstration (Nachahmung, Übernahme) von Momenten ihrer militärischen Organisation und alltäglichen Lebensweise. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts spielten zunächst als Beni, dann auch als Mganda bezeichnete Tänze, karnevalistische Aufzüge und – zumindest vor dem Ersten Weltkrieg – mehrere Tage dauernde agonale Feste für unterschiedliche soziale Schichten im östlichen Afrika eine wichtige...