Auftritt
Deutsche Oper am Rhein Duisburg: Eroberer im Glitzerkleid
„Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel – Musikalische Leitung Attilio Cremonesi, Inszenierung Michaela Dicu, Bühne Rifail Ajdarpasic, Kostüme Ariane Isabell Unfried, Licht Michael Kantrowitsch
von Stefan Keim
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Theaterkritiken Musiktheater Michaela Dicu Deutsche Oper am Rhein

Die Auflösung von Geschlechterrollen und genderfluide Besetzungen sind im Schauspiel schon zur Konvention geworden. In der Oper ist das schwieriger, weil die Rollen meistens an männliche oder weibliche Stimmlagen gebunden sind. Doch im Barock war das anders, Kastraten waren die Stars auf der Bühne, Männer, die in Mezzo- oder Sopranlage sangen. Heute erledigen das Countertenöre ohne medizinische Eingriffe, inzwischen gibt es auch Sopranisten. Hier kann man die Geschlechter problemlos variieren. Genau das hat Michaela Dicu nun an der Deutschen Oper am Rhein mit Georg Friedrich Händels Oper „Giulio Cesare in Egitto“ versucht.
Die Regie will so Klischeebilder befragen. So wird aus Julius Caesar eine Giulia und aus Cleopatra, die ihre Ansprüche auf den ägyptischen Thron erst gegen ihren Bruder durchsetzen muss, Cleopatro. Anna Harvey verkörpert Cesare in einem Glitzerkleid, dessen Pailletten noch ein bisschen an eine Kriegsrüstung erinnern, aggressiv und erotisch. Wer ihr im Weg steht, wird weggeschubst, sie nimmt sich, was sie will. Während Dennis Orellana als Cleopatro Hemd und Hose trägt, ein stimmlich wie körperlich zarter Mann, der nicht zu körperlicher Gewalt greifen kann, um sich durchzusetzen.
Musikalisch ist das alles kein Problem, beide gestalten ihre Rollen mit Eleganz und Ausdruckskraft. Was der Geschlechtertausch allerdings szenisch bringen soll, bleibt zweifelhaft. Dass auch Frauen hauen und Männer verzagen können, ist nun wirklich nichts Neues mehr. Leiden können beide, wir sind ja in einer Oper. Michaela Dicu entfacht einen riesigen Aktionismus auf der Bühne. Am Anfang sieht der Raum wie ein Urlaubsressort der mittleren Preisklasse aus, die Buchstaben P O W E R ergeben das englische Wort für Macht. Dann schieben in blassbeigem Seniorenlook gekleidete Menschen die Bühnenelemente hin und her, was manchmal unfreiwillig komisch wirkt.
Auch das Ensemble muss sich ständig bewegen, mal naturalistisch, mal in Klischeeposen. Im Original ist das Stück fast vier Stunden lang. Um auf eine verträgliche Länge zu kommen, sind viele Wiederholungen und die meisten Rezitative gestrichen worden. Doch genau darin finden Charakterentwicklungen statt, hier werden die Feinheiten der Geschichte erzählt. Das alles fehlt nun völlig. Der junge Sesto, der den Tod seines Vaters rächen will, wird bei Händel von einem großmäuligen Teenager zum gefährlichen Killer. Hier bleibt er – obwohl Maximiliano Danta mit glasklarer Stimme hervorragend singt – eine Witzfigur.
So wird „Giulio Cesare in Egitto“ szenisch mit Riesenaufwand in den Sand gesetzt. Dafür hat die Deutsche Oper am Rhein ein herrliches Gesangsensemble engagiert, alle verkörpern ihre Rollen musikalisch stilsicher und mit großer schauspielerischer Beweglichkeit. Die Duisburger Philharmoniker könnten unter Leitung von Attilo Cremonesi dramatisch noch etwas zugespitzter klingen. Das Orchester liefert immerhin eine routinierte Leistung und ist die zuverlässige Basis für eine Aufführung, die konzertant und mit ein bisschen Mut zur Länge sicherlich mehr begeistern würde.
Erschienen am 4.12.2025




















