Christine Lemke-Matwey: Dirk Baeckers Vortrag „Der Herzschrittmacher“ ist kein Plädoyer für die Abschaffung der Oper, sondern fast das Gegenteil davon. Wenn ich Sie, Herr Baecker, richtig verstanden habe, ist das Profil der Oper ihre Historizität – die Oper als Geschichtsmaschine. Aber woran arbeiten dann heutige Opernhäuser? Mir scheint, dass sie eigentlich permanent versuchen, dieses Profil möglichst unkenntlich zu machen und wieder los zu werden. Was ist Ihr Eindruck?
Dirk Baecker: Genau den Eindruck habe ich auch. Gleichzeitig sehe ich, dass das systematisch misslingt, denn Sie können keine Mozart-Oper inszenieren, ohne nicht eine alte Musik vorzuführen. Das erkennt man schon daran, dass die Aktualisierung immer die Inszenierung betrifft, nie das Thema, nie die Musik. Die eigentliche Oper ist sozusagen immer noch die alte, ganz gleich wie ein Regisseur sie inszeniert. Der Blick des Publikums fällt auf die Differenz von Vergangenheit und Gegenwart. Und an dieser Vergangenheit, an dieser Differenz reibt sich viel. Die Reibung kann gelingen oder misslingen. Man hört und genießt die alte Musik, betrachtet und beurteilt die neue Inszenierung. Manchmal hilft es, die Augen zuzumachen. Schlimm wird es, wenn man merkt, dass die Aktualisierung nur dem Zeitgeist huldigt, mit der Musik und dem Thema der Oper jedoch nichts zu...