Nachruf
Ein Vorkämpfer der „Freien Szene“
Ludger Schnieder, Theater im Pumpenhaus in Münster
von Henning Fülle
Erschienen in: Theater der Zeit: Neue Dramatik (03/2023)
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Freie Szene Akteure Theater im Pumpenhaus
Erschrecken und Trauer haben mich ergriffen, als mich die Nachricht vom Ableben Ludger Schnieders erreichte, dem Mitbegründer und Chef des Theaters im Pumpenhaus in Münster seit 1985. Ich war für dieses Frühjahr mit ihm verabredet, um über die Sicherung der Archivalien zu seinen Tätigkeiten zu sprechen.
Die deutschen Stadt- und Staatstheater hatten in Westdeutschland nach 1945 – eher oberflächlich von den Spuren der deutschen Barbarei gereinigt – ihren Betrieb als Kulturtempel des Bildungsbürgertums wieder aufgenommen. „Geistiges“, unpolitisches Theater – das sollte die Konsequenz aus dessen Instrumentalisierung durch die Nazis sein; Alternativen zum dramatischen Repertoire, politische Dramaturgien oder experimentelle Ästhetiken, wie sie jenseits des deutschsprachigen Kulturkreises entwickelt wurden, fanden lediglich sporadisch misstrauische Aufmerksamkeit.
Vor diesem Hintergrund war in den 1970er-Jahren in der BRD die „Freie Szene“ entstanden, die sich als Gegenentwurf zur Restauration der distinktiven Hochkultur verstand. Sie eroberte in den 1980er-Jahren aufgelassene Industriegebäude für die Produktion und Präsentation „freien“ Theaters und Tanzes: beispielsweise
Kampnagel in Hamburg, der Mousonturm und das Neue TAT in Frankfurt am Main, aber auch das Hebbel-Theater und das Theater am Halleschen Ufer in West-Berlin.
Ludger kam aus dieser Bewegung. Im katholisch geprägten Münster hatte er in den Ausläufern der Jugendrevolte studiert und sich politisiert, sich unter...