1933: Zäsuren in der Berliner Kulturmetropole
von För Künkel und Mirjam Hildbrand
Erschienen in: Zirkuskunst in Berlin um 1900 – Einblicke in eine vergessene Praxis (02/2025)
Ohne die jüdischen Künstler:innen ist die Theater- und Zirkuskultur um 1900 in Deutschland nicht zu denken. Aus dem jüdisch geprägten Konfektionswesen entwickelte sich neben Kostüm- und Ausstattungsateliers im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch eine florierende Modeindustrie. Sowohl auf der Ebene der Designer:innen wie beim Inszenieren von Modeschauen bestanden enge Schnittstellen zur Theaterwelt (vgl. Westphal 2019).
Große deutsche Zirkusgesellschaften von jüdischen Familien hießen Circus Lorch, Circus Straßburger oder Circus Blumenfeld (vgl. D. u. G. Winkler 2012). Adolph Friedländer, ebenfalls jüdisch, gründete 1872 eine Druckerei in Hamburg, die – ab 1883 mit einer Steindruck-Schnellpresse – über 9000 Plakat-Lithografien für Artist:innen, Zauberkünstler:innen, Zirkusgesellschaften, Varieté-Theater und Tier-Darbietungen druckte, darunter auch für die Berliner Zirkusunternehmungen Renz, Busch und Schumann (vgl. auch Abb. 40, S. 78f., Abb. 51, S. 92f.). Mit ihrer grafischen Handschrift prägte die Firma die visuelle Kultur Deutschlands um 1900, auch durch die stetige Präsenz an zahlreichen Litfaßsäulen im öffentlichen Raum. Friedländers Plakate waren ab 1890 mit einem herzförmigen Drucksignet gekennzeichnet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ließ Friedländer das Signet weg, entsprechend tragen die letzten Lithografien der Druckerei nur noch eine Nummer. 1935 wurde die Lithografische Anstalt durch das Naziregime zwangsliquidiert (vgl. Kirschnick 2016, S. 60; Malhotra 1978, 1979)....