(More than) Human?
Inszenierungsstrategien im Zeitgenössischen Zirkus
von Franziska Trapp
Erschienen in: Re-thinking Objects – Der non-human turn im Zeitgenössischen Zirkus (VOICES III) (06/2022)
Assoziationen: Puppen-, Figuren- & Objekttheater Performance

The force of art is precisely that it is more than human.1
In den letzten Jahrzehnten hat der non-human turn 2 Einzug in die Geisteswissenschaften gehalten. Er wird „als neue[s] Paradigma abendländischen Denkens“3 verhandelt und umfasst eine Vielzahl an Strömungen, wie z.B. den Neuen Materialismus, den Spekulativen Realismus, die Animal Studies oder den Posthumanismus. Sie alle eint das Interesse, entgegen der Dominanz anthropozentrischer Perspektiven nicht-menschliche Entitäten, Prozesse, Handlungsfähigkeit und Performativität in den Mittelpunkt zu stellen. Wirft man einen Blick auf die aktuelle Zirkusszene, wird deutlich, dass dieses Umdenken keineswegs auf die akademische Welt beschränkt ist, sondern auch in (Interaktion mit) der künstlerischen Welt stattfindet.4
HUMAN UND NON-HUMAN IM (ZEITGENÖSSISCHEN) ZIRKUS
Was Erin Manning in ihrem Artikel „Artfulness“5 für Künste im Allgemeinen formuliert – „The force of art is precisely that it is more than human.6“ – gilt insbesondere auch für den Zirkus. Zirkus ist more-than-human insofern, als jede Zirkusdisziplin grundlegend auf der Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen agents basiert.7 Als nicht-menschliche Handlungsträger werden in diesem Fall sowohl Objekte (z.B. Jonglagebälle), Technologien, Apparaturen (z.B. das Trapez) und Tiere als auch Kräfte (z.B. Schwerkraft) verstanden. Nur in Verbindung mit diesen nicht-menschlichen Entitäten ist die Ausführung der Zirkusdisziplinen überhaupt erst möglich. Doch o...