Vorwort
von Irene Albers, Hannah Hurtzig und Isabel Dziobek
Erschienen in: Recherchen 78: Fühlt weniger! – Dialoge über Emotionen (02/2011)
1 Jeder glaubt zu wissen, was Gefühle sind. Aber je mehr in Medien und Alltag von Gefühlen oder – scheinbar neutraler, wissenschaftlicher, objektiver – von »Emotionen« die Rede ist, desto weniger versteht man, was damit gemeint sein soll. Wissenschaftlern geht das nicht anders. Das beginnt schon bei der Bezeichnung des Forschungsobjektes: Sind Emotionen dasselbe wie Passionen, Affekte, Gefühle, Leidenschaften und Stimmungen? Erst im 18. Jahrhundert wurden mit Kant aus den »Passionen« »Gefühle«, womit die lange Tradition philosophischer Passionslehren zu Ende ging. Statt der Philosophie kümmert sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Wissenschaft um die Gefühle, die empirische Psychologie. Trotzdem sprechen wir von Passionen und haben welche.
Emotionsforschung lebt vom Dissens. Kulturwissenschaftler, Historiker und Soziologen verweisen darauf, dass Emotionen kulturabhängige Konstrukte sind und dass der psychologische Diskurs zur Konstruktion und Disziplinierung von Emotionen beiträgt. Die meisten Psychologen gehen dagegen von bestimmten, kulturell indifferenten »Basis emotionen« wie Freude, Traurigkeit, Scham, Ekel, Angst oder Ärger aus und verstehen unter »Emotion« ganz pragmatisch ein reizabhängiges Verhaltensmuster, das kognitive Momente, physiologische Veränderungen, subjektives Erleben sowie Ausdrucksphänomene umfasst und Handlungen motiviert. Dabei herrscht allerdings auch unter Psychologen keine Einigkeit darüber, ob das, was Emotionen ausmacht, primär die kognitiven Momente wie die Einschätzung einer...