Theater der Zeit

Jubiläum

Stück Labor und Luminanza

Eine Begegnung italienisch-, deutsch- und französischsprachiger Schweizer Dramatik zum 10-jährigen Jubiläum

von Tommaso Giacopini und Lalitha Del Parente

Erschienen in: Theater der Zeit: Henry Hübchen (02/2022)

Assoziationen: Dramatik Schweiz Dossier: Stück Labor – Neue Schweizer Dramatik

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Als eine sich ständig weiterentwickelnde ausdrucksstarke Sprache, die permanent den Einflüssen der Zeit ausgesetzt ist, hat sich das Theater der letzten zehn Jahre zu einem facettenreichen Instrument für die Erforschung neuer künstlerischer Formen ent­wickelt.

Wie sind in diesem Magma sprachliche Unterschiede enthalten?

Die zeitgenössische Dramaturgie eines Landes wie der Schweiz zu betrachten, bedeutet auch, bewusst deren Mehrsprachigkeit zu akzeptieren.

Zum Jubiläum in Basel, wurde, dank des Engagements von Stück Labor, die Mehr­sprachigkeit als Chance zur Erforschung, zum Wachstum und zur Horizonterweiterung gesehen.

Das Ergebnis war ein Abend, an dem das Theater Basel zum Schauplatz für eine Reihe von Lesungen und Performances in deutscher, französischer und italienischer Sprache sowie in Berner Mundart wurde.

Das Ergebnis: eine leuchtende Bühne.

Zum ersten Mal gab es auch zwei Aus­züge auf Italienisch.

Unsere beiden Texte, „Dodici metri di apertura alare“ von Tommaso Giacopini („Zwölf Meter Flügelspannweite“ – übersetzt von Gerhard Kuck) und „Siamo quelli giusti“ von Lalitha Del Parente („Wir sind die Richtigen“ – übersetzt von Barbara Wiebking), entstanden im Rahmen des Förderprogramms Luminanza.

Gemeinsam ist den Texten das Bedürfnis, die Möglichkeiten abstrakter, ausgestorbener, dystopischer Welten mit konkreten menschlichen Stoffen zu erkunden. Um sie zu durchqueren, bringt die italienische Sprache einen bestimmten kulturellen Kontext mit sich.

Das Tessin taucht in bestimmten Elementen auf, in den verwendeten Ausdrücken und den von ihm inspirierten Bildern.

Wie würden „Zwölf Meter Flügelspannweite“ aussehen, wenn sie nicht im Schatten der Felsen des Monte San Giorgio geschrieben worden wären, die den Weg von heute ausgestorbenen Lebewesen bezeugen? Was wäre der Hintergrund, wenn die paläontologischen Zeitalter des Tessins nicht berücksichtigt worden wären?

Könnte „Wir sind die Richtigen“ beim Thema internationale Adoption als Symptom eines sich nach wie vor ausbreitenden Kolonialismus der Konfrontation mit einer wohlhabenden, provinziellen, kleinbürgerlichen westlichen Gesellschaft entgehen?

In Verbindung mit der Frage, wer die heutigen Dramatikerinnen sind, lohnt es sich, darüber nachzudenken, inwieweit ihr territorialer und sprachlicher Kontext ihre Art, Geschichten zu erzählen, beeinflusst.

Der Pakt, den das Theater mit dem Publikum schließt, ist fast immer eng mit dem Wort verbunden.

Kann ein in einer anderen Sprache gesprochenes Wort sein Maß, sein Gewicht verändern?

In einem Land mit so unterschiedlichen Geschmäckern, Denk- und Handlungsweisen, Werten und Lebensstilen wie der Schweiz ­lassen sich weiterhin verschiedene soziokulturelle und politische Kontexte finden.

Was für einen Eindruck hinterlässt die italienischsprachige Dramatik in einer Stadt wie Basel, die durch ihre geografische Lage im Dreiländereck und ihre Durchmischung mit Expats eine besondere sprachliche Vielfalt aufweist?

Wir müssen mehr Möglichkeiten für den interkulturellen Austausch zwischen allen Sprachregionen schaffen und dabei offen sein für eine gegenseitige Beeinflussung und Bereicherung.

Wenn unsere Gemeinsamkeiten die Worte sind, die wir unseren Figuren zu kauen geben, wenn das Ziel darin besteht, die vielen Facetten dieser Zeit widerzuspiegeln, dann müssen wir uns untereinander austauschen.

In Basel haben wir die sprachlichen Grenzen als Ausgangspunkt für einen aufrichtigen, konkreten Dialog betrachtet, der das im Entstehen begriffene Theater anerkennt, ihm Raum und Wert zuerkennt.

Es wurde eine gemeinsame Stimme gesucht, um den Begriffen Dramatiker:in, Werk und Theater Gewicht zu verleihen, sie zu ­definieren.

Wie sich herausgestellt hat, gibt es immer noch sehr unterschiedliche Übersetzungen dafür.

Dieses Treffen war von entscheidender Bedeutung, um eine gemeinsame Grundlage für die Zukunft zu schaffen.

Stück Labor dankt für die freundliche ­Unterstützung durch: Pro Helvetia, Ernst Göhner Stiftung, Landis & Gyr Stiftung, ­Migros Kulturprozent.

 

Luminanza ist ein neuer Reaktor für zeitgenössische italienischsprachige Schweizer Dramatik. Koordiniert wird das Programm seit 2021 von Alan Alpenfelt, Matteo Luoni und Mara Travella. Als Plattform für Begegnungen und Workshops mit schweizerischen und internationalen Theaterschaffenden und Autor:innen, ist Luminanza eine Gelegenheit, das dramatische Schreiben zu entdecken und zu vertiefen. Mehr zu den Programmen: www.luminanza.ch www.stuecklaborbasel.ch

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