Leidenschaft für das Theatrale
Spaltungen und Paradoxe
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
In Frankreich musste 1808 noch beklagt werden, dass Fabriken leer stünden, weil die Arbeitenden im alten Trott zu viele Feste feierten. Im Vereinigten Königreich, das die freie Marktwirtschaft kräftig vorantrieb und mit historischen Erfindungen wie der Dampfmaschine auf den industriellen Kapitalismus zustrebte, hatte schon 1755 der öffentliche FRIENDLY ADVICE TO THE POOR, geschrieben von Reverend J. Clayton im Auftrag der Behörden von Manchester, drohend gemahnt: „Wenn der Faule seine Hand in der Tasche versteckt, anstatt sie zur Arbeit zu gebrauchen; wenn er seine Zeit mit Bummeln verbringt, seinen Körper durch Faulheit schwächt und seinen Geist durch Trägheit abstumpft“, könne er nur Armut als Lohn erhalten. Der Arbeiter solle nicht müßig auf dem Marktplatz herumlungern oder seine Zeit mit Marktgeschäften vergeuden. Bei Hochzeiten und Beerdigungen, klagte Clayton, seien „Kirchen und Straßen voll von Zuschauern […], die trotz ihres elenden Hungerlebens […] keine Skrupel haben, die besten Stunden des Tages mit Gaffen zuzubringen“. Teetisch, Kirmes und Festtage seien „widerwärtige Vertilger von Zeit und Geld“, das Gleiche gelte für die Jahresfeiern der verschiedenen Vereinigungen und das „faule In-den-Tag-Schlafen“. Frühes Aufstehen würde „die Armen zwingen, rechtzeitig schlafen zu gehen und die Gefahr mitternächtlicher Gelage verhindern“ sowie eine „exakte Regelmäßigkeit in...