Briefwechsel
Schichten des Zuhörens
von Monica Gillette und Alexandra Waierstall
Erschienen in: And here we meet: Choreography at the edge of time – Alexandra Waierstall (06/2025)

Liebe Alexandra,
es ist jetzt einige Jahre her, dass ich Dich zum ersten Mal in Deinem Studio besucht habe. Ich kann mich zwar nicht mehr an das genaue Jahr erinnern, aber dafür umso deutlicher an meine körperlichen Empfindungen, als ich Deinen Probenprozess miterlebt habe. Dieser Eindruck lässt sich am ehesten so beschreiben, als hätte die Atmosphäre, die Du durch Deine Tänzer:innen geschaffen hast, mir das Gefühl von weichen Tentakeln gegeben, die aus meinem Körper wachsen – es hat sich so angefühlt, als würde ich durch meine eigene Haut hinaus horchen. Kommt Dir das bekannt vor? Versuchst Du ganz bewusst, diese Art von Umfeld zu schaffen, oder ist es eine Begleiterscheinung Deiner ästhetischen Suche? Wie gelingt es Dir, dieses spezielle Horchen der Sinne zu erzeugen?
Fühl Dich umarmt,
Monica
Liebe Monica,
ich erinnere mich genau an unsere erste Begegnung, das muss 2018 oder 2019 gewesen sein. Wie Du Deine Gefühle beschreibst, als Du mir damals im Studio bei meiner Arbeit zugesehen hast, gefällt mir sehr. Wenn ich arbeite, beginne ich an einem Punkt der Neugier und des Interesses daran, wie wir dahin gekommen sind, wo wir jetzt sind. Ich eröffne einen Raum für alle Mitwirkenden und mich, um uns auf diese Erkundungsreise zu begeben, wo wir den Platz haben, uns in und durch einen Ort der Untrennbarkeit und der gegenseitigen Einstimmung zu bewegen. Als Choreografin aktiviere ich die Beobachter:in in uns, durch die wir uns selbst im Anderen sehen. Ich praktiziere Verbundenheit. Aufmerksamkeit. Ich werde zu einem ‚Wir‘. Dieser Prozess des hervortretenden Selbst durch die Anwesenheit der Anderen ist etwas, das mich fasziniert. Er vermittelt mir das befreiende Selbstverständnis, Teil von etwas Größerem zu sein, das sich über die Grenzen unserer eigenen Haut ausdehnen kann. Kannst Du damit was anfangen?
Alles Liebe,
Alexandra
Liebe Alexandra,
Es fasziniert mich, wie Du es schaffst, meine Sinne anzuregen, indem Du über Deine Neugier sprichst, und wie Du Dich von ihr leiten lässt. Manche der Begriffe, die Du verwendest, fallen mir besonders auf: Untrennbarkeit, gegenseitige Einstimmung, Beobachten, Aufmerksamkeit, Verbundenheit. Aber was ich vor allem gerne wüsste, wäre, wie Du durch Deine choreografische Arbeit ‚die Beobachter:in aktivierst‘. Ist das ein Prozess, den Du beim Warm-up in Gang bringst, oder durchzieht es eher Deinen ganzen choreografischen Prozess – oder beides? Wie schaffst Du es, das in den Tänzer:innen anzustoßen, mit denen Du zusammenarbeitest? Und sobald es da ist, wie hältst Du es dann am Leben?
Vielleicht könntest Du versuchen, diese Empfindung auch in unseren Leser:innen zu wecken? Wie würdest Du uns an diesen Ort leiten?
Ich wünsche Dir einen wundervollen Start ins neue Jahr…
Monica
Liebe Monica,
was für eine schöne Art, ins Jahr zu starten und mit Dir im Gespräch zu sein! Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, mit Dir die ‚Aktivierung der Beobachter:in‘ und deren Anfänge in meiner Arbeit reflektieren zu können. Irgendetwas hinsichtlich des gegenwärtigen Moments scheint die Antwort darauf zu bergen. Der Moment als ein ‚hier und jetzt treffen wir aufeinander‘.
Es ist auch eine Ebene, die ich manchmal anspreche, indem ich mit einer:m Tänzer:in einzeln arbeite, deren Körper und Tanz ich dann als zu erforschenden Raum verstehe, nicht als Ort der Perfektion. Einige meiner Arbeiten wurden größtenteils mit geschlossenen Augen oder ohne Licht entwickelt. Der Versuch, die Beobachtung mit geschlossenen Augen zu aktivieren – mithilfe der Erarbeitung von Scores – könnte seinen Ursprung in einer sehr persönlichen Erfahrung von mir haben, die dafür gesorgt hat, dass ich mein Leben dem Tanz und dem Choreografieren widmen wollte. Es hat damit angefangen, dass ich einen Workshop mit Steve Paxton absolviert habe, als ich 16 Jahre alt war, und er Gast meiner Mutter, der Choreografin Arianna Economou, in Zypern war. Ich habe eine Woche damit verbracht, mit Steve und einer Gruppe von blinden Tänzer:innen zu tanzen, als Teil seines Touchdown-Workshops. Eine ganze Woche lang haben wir mit geschlossenen Augen kurze Choreografien gestaltet, und diese Art von Hingabe durch ein tiefes Gefühl des ‚Zuhörens‘ hat mir immense Erkundungsräume eröffnet. Damals wollte ich eigentlich etwas mit Musik machen, und mein Traum war es, Komponistin zu werden, aber die Erfahrung mit Steve hat meine Ziele verschoben und mir neue Pfade/Welten eröffnet, die so viel von dem umfasst haben, was ich liebe. Bewegung, Verbindung, Musikalität, Neugier, das Verständnis von Bewegung als tonalem Verlauf, Erkundung, Komposition und Einfachheit.
Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich die Betrachter:in in allen am Schaffensprozess beteiligten Menschen aktivieren, nicht nur in den Tänzer:innen. Zuerst wird die Beobachterin in mir selbst aktiviert, dann in den Lichtdesigner:innen, den Musiker:innen, dem Publikum. In meinem choreografischen Prozess werden wir alle zu multilateralen Beobachter:innen. Wir werden füreinander zur Fläche, auf der sich jede:r einzelne erhebt. Sich erneuert. Gefühlt und gesehen wird.
Außerdem hat jede:r Tänzer:in, jeder Körper einen ganz eigenen ‚Sound‘ für mich. Ich versuche, mit diesem Sound zu arbeiten und ihn subtil dem Rest der Gruppe zu vermitteln, um so Schicht für Schicht einen gemeinsamen Sound zu entwickeln. Eine bestimmte Melodie. Manchmal fühle ich mich wie eine Klavierstimmerin, die vom Sound der anderen lernt, durch tiefes Zuhören.
Und wie aktiviere ich die Beobachterin in mir selbst, in der Lichtdesignerin oder dem Musiker? Wiederum indem ich zuhöre. Mit Klarheit. Und noch mehr Klarheit. Mit Grenzen. Und noch mehr Grenzen. Mit Respekt. Und noch mehr Respekt. Mit Sanftheit. Und noch mehr Sanftheit. Mit Timing.
Indem ich zur Fläche werde, auf der die anderen sich erneuern, sich erheben. Gehört werden. Gefühlt werden. Gesehen werden.
Alles Liebe,
Alexandra
Liebe Alexandra,
wie interessant, von Deiner Begegnung mit Steve Paxton zu erfahren, und was Du dabei ohne Deine Augen oder visuelle Information mittels Bewegung, Wahrnehmung und Zuhören entdecken konntest. Mich fasziniert außerdem, dass Deine erste Leidenschaft die Komposition von Musik war und dass Dich trotz all dem Zugang zum und der Auseinandersetzung mit Tanz, die Du dank Deiner Mutter hattest, das volle Potential des tanzenden Körpers und dessen Choreografie erst gepackt hat, als Du diese tiefgehende Sinneserfahrung machen konntest.
Ich fand es auch toll, Zugriff zum Score zu haben, den Du mir geschickt hast – Movement Score. Right Hand Dance exploration (siehe im Buch S.134 f.). Ich habe Teil 1 bis 3 gemacht und die intensive Aufmerksamkeit genossen, die es mir abverlangt hat, mit dem jeweiligen Teil meines Körpers zuzuhören. Diese Empfindung und einige Stellen Deines Briefes lösen weitere Fragen bei mir aus…
Sobald Du die Beobachter:in aktiviert hast, wie funktioniert von diesem Punkt an die Entscheidungsfindung? Mit anderen Worten: Wenn ein:e Tänzer:in oder ein:e Lichtdesigner:in in diesem Zustand angekommen ist, wie leitest Du die Entscheidungsfindung an, und wie kommt man von dort aus zu einem Punkt des gemeinsamen Tuns und Gestaltens?
Gegen Ende Deines Briefs erwähnst Du außerdem das Setzen von Grenzen und gegenseitigen Respekt, wenn die Beobachter:in in Lichtdesigner:in oder Musiker:in entfacht wird. Ich bin gespannt, was Grenzen für Dich in diesem Kontext bedeuten, und welche Rolle das gegenseitige Zeigen und Erhalten von Respekt spielen könnte, vor allem wenn es darum geht, sich räumlich füreinander zu sensibilisieren und aufeinander einzustimmen.
Alles Liebe, Monica
Liebe Monica,
danke, dass Du Dich mit dem Score beschäftigt hast, den ich Dir geschickt habe!
Bezüglich Deiner Frage, wie ich die Entscheidungsfindung und das gemeinsame Gestalten mit den Tänzer:innen angehe: Ich glaube die Reihenfolge von Abläufen in meinem Arbeitsprozess ist ein bisschen unorthodox.
Die Arbeit mit den Tänzer:innen basiert auf einer Vorbereitung, die schon Monate vor meinem Treffen mit ihnen im Studio beginnt. Zum Teil findet diese Vorbereitung gemeinsam mit dem Musiker oder der Musikerin statt, der oder die an meinem neuen Konzept beteiligt ist. Ein neues Projekt nimmt seinen Anfang normalerweise in einem Tonstudio, wo ich in Zusammenarbeit mit dem Musiker Volker Bertelmann, aka Hauschka, die Sounds für das Projekt entwickle. Wir beschäftigen uns dann mit der Wahl der Instrumente, mit Struktur und Stimmung der neuen Arbeit, den Dynamiken und Harmonien. Dadurch zeichnet sich ein Score ab, mit dem er sich auseinandersetzt, ihn dann direkt komponiert, und den wir anschließend aufnehmen. Wie beim Tanzen ist er der Performer, und ich höre zu.
Es ist also so, dass ich die Choreografie erst höre, bevor ich sie sehe.
Wenn ich die Tänzer:innen im Studio treffe, beginne ich die erste Probe immer erstmal mit einem Durchlauf. Ja, bereits am allerersten Tag machen wir einen Durchlauf mit der ungefähren Dauer des Stücks. Mein künstlerisches Anliegen gründet auf und drückt sich aus in Form eines choreografischen Scores mit Anfang, Mitte, und Ende. Die Tänzer:innen finden ihren Weg mithilfe des Scores sowie ihrer individuellen Fähigkeiten und ihrer Ausstrahlung, aber nicht ohne in ständigem sensiblem Austausch mit sich selbst und anderen zu bleiben. Ihr Tanz entfaltet sich entlang der Grenzen der Choreografie.
In diesem Moment der Wegfindung und Erkundung, wenn das Werk von Grund auf Atem und Gestalt annimmt, bin ich meistens still und aufmerksam. Ich bin im Hier und Jetzt, und ich bleibe weich und biegsam, um meine eigene Struktur nach Belieben betreten und verlassen zu können. Um mir selbst die Möglichkeit zu geben, tief durchzuatmen, offen zu bleiben und mich tragen zu lassen. Um Details zu beobachten und eine Öffnung in dem zu finden, was die Tänzer:innen und der gegenwärtige Moment an Überraschungen bereithalten.
Ich habe mich schon immer sehr glücklich geschätzt, diese Art der Entfaltung miterleben zu können. Eigentlich proben wir die Choreografie nie wirklich oder bereiten sie vor. Stattdessen gibt es einen Moment, wo ich den Score kommuniziere, und dank Wiederholung und gegenseitigem Einstimmen wächst die Choreografie dadurch, dass sie immer und immer wieder von neuem ausgeführt und performt wird, mit Feinarbeit und Liebe zum Detail. Jede einzelne Bewegung im Raum ist geleitet. Wertgeschätzt. Vergegenwärtigt. Wegen der Grenzen, die ich in meinem letzten Brief erwähnt habe: Die Grenze ist der Score. Die Entscheidung. Die Wahl. Der Gedanke ruht im Körper und löst sich letztendlich, mit einer klaren Vorstellung von Beginn und Ende. Und so weiter.
Mit der Lichtdesignerin Caty Olive habe ich eine ähnliche Vorgehensweise wie mit Volker. Oft erarbeiten wir das Lichtdesign, bevor ich überhaupt mit der choreografischen Arbeit beginne, sodass die Beleuchtung wie ‚Körper‘ fungiert, denen ich mir im Schaffensprozess bewusst bin. Vom ersten Tag an sind sie im choreografischen Score und in meinen Gedanken verankert.
Ich schätze die Sensibilität und die Achtsamkeit resultieren auch aus einer spezifischen Arbeitsökonomie, schnell zum Punkt zu kommen und direkt zum Kern meiner eigenen Gefühle vorzustoßen. Mit der Idee von Reduktion arbeiten. Immer den Sprung ins kalte Wasser wagen, mich an klare Gedanken halten, jede Bewegung aus Gelassenheit heraus entstehen lassen, mit Mut und einem offenen Herz, mit ‚coeur‘ der Zukunft begegnen.
Alles Liebe,
Alexandra
Liebe Alexandra, danke für diese Beschreibung Deiner choreografischen Prozesse. Es fühlt sich tatsächlich unerwartet an und scheint mir eine eher ungewöhnliche Art des Aufbaus zu sein.
Ich glaube, dass sich in Deinen Briefen zwei wichtige Ebenen Deiner Arbeitsweise zeigen – die Art, wie Du die Verbindung und die Einstellung zum ‚Anderen‘ pflegst, um eine tiefe Präsenz zu erzeugen, sowie Deine eigene innere Praxis, die ausschlaggebend ist für Deinen Schaffensprozess.
Im letzten Absatz sprichst Du von Gefühlen, Gelassenheit und einem offenen Herzen. Können wir uns noch einmal näher anschauen, wie sich das in Bezug auf Deinen eigenen Körper und Deine Empfindungen bemerkbar macht, und wie dieses innere Zuhören und Einstimmen Dich leiten? Spielen Emotionen da auch eine Rolle? Würdest du in diesem Kontext von ‚Intuition‘ sprechen, oder ist es viel geplanter, strategischer und bewusster als das?
Alles Liebe,
Monica
Liebe Monica, danke für Deine Frage und auch dafür, dass Du mich auf meinen Körper zurückführst. Mein erster Gedanke ist, dass mein Arbeitsansatz ziemlich paradox sein kann, weil ich viele verschiedene Bewegungen von Gedanken in Gang setze, die immer eine Kombination sind aus intuitivem Denken und höchst präzise strukturierten Scores.
Also ja, das Choreografieren verbindet mich mit meinem Körper, meinen Gefühlen und meinem kreativen Bewusstseinsstrom. Meistens beginnt es mit ein paar Worten. Einer Entscheidung. Einem Score. Einer Übereinkunft. Einer Richtung. Wenn es dann in die praktische Arbeit geht, nehme ich mich mehr zurück. Mein Körper bewegt sich für gewöhnlich an der Peripherie des Raums. Sitzend oder stehend. Ich warte und beobachte. Dadurch gelingt es mir, näher an meine Gefühle heranzukommen. Manchmal geht mein Puls runter. Mein Blick wird weicher. Meine Gedanken kommen zur Ruhe. Ich beobachte. Ich warte. Ich begrüße den Moment, der ein Kribbeln erzeugt. Der Moment, der einen Impuls setzt. Der Wissen generiert und Neugier. Ich versuche, offen für alles zu bleiben. Mich nicht festzulegen. Im Fluss zu sein. Wie ein Surfer, der die Strömung spürt, während er versucht, die nächste Welle zu erahnen. Es stimmt also, dass ich sowohl mit Klarheit als auch mit Intuition arbeite. Einer Vereinigung von beidem. Ein Wissen und Nicht-Wissen. Ein Halten und Gehalten-Werden von der Präsenz Anderer. Sowohl in Kontrolle zu sein als auch Kontrolle abzugeben. Einen fließend festen Rahmen aus starken und sanften Einheiten zu bauen, in einen fast meditativen Zustand des Urvertrauens hinab zu tauchen. Der Tatsache entgegenzutreten, dass ein Teil meiner Arbeit in der Kraft dessen liegt, was zwischen den Zeilen steht und darauf wartet, entdeckt zu werden.
Etwas Gewaltiges geschieht mit mir, wenn ich choreografiere, und ich bin jeden Tag dankbar dafür. Wenn ich dabei zusehe, wie sich die Choreografie entfaltet, erinnert mich das an das Gefühl, einen Sonnenuntergang anzuschauen, oder einen Sonnenaufgang oder den Nachthimmel. Ein Moment, der so viel Schönheit beinhaltet, so viel Raum und so viel Bewegung, und der uns zugleich so nah zu uns selbst bringt. Wir sind Teil der Magie.
Alles Liebe, Alexandra
Liebe Alexandra,
als ich Deinen Brief gelesen habe und wie Du Dich auf die Spur Deiner Gefühle begibst, indem Du auf und in Deinen Körper hörst, kam es mir so vor, als hätten wir den Kreis zu unserem ersten gemeinsamen Austausch geschlossen, als ich Dir von meinen Empfindungen im Probenraum erzählt habe. Und obwohl der Kontext dieses Dialogs immer eindeutig ein rein künstlerisches Interesse war, kann ich es nicht vermeiden, mich jetzt von der tiefgreifenden Menschlichkeit in Deinen Worten angezogen zu fühlen. Es drängt sich mir die Frage auf, wie die Welt wohl aussehen würde, wenn jeder Mensch so tief in sich hineinhorchen würde und dies als den Ort betrachten würde, von dem aus man Entscheidungen trifft und handelt.
Spielt diese Ebene eine Rolle in Deiner Kunst? Oder vielleicht nicht in Deinem künstlerischen Schaffensprozess an sich, sondern in anderen Bereichen Deines Lebens – wo auch immer Du ein Potential für so etwas siehst?
Mir ist bewusst, wie wichtig es sein kann, Tanz und Kunst von sozialem Engagement zu trennen, um die künstlerische Vision oder den künstlerischen Prozess nicht zu kompromittieren, aber bei all dem, was aktuell in der Welt geschieht, drängt sich mir die Frage einfach auf, und ich bin sehr gespannt, was Du dazu zu sagen hast.
Alles Liebe,
Monica
Liebe Monica, ich empfinde es ebenfalls so, dass sich ein Kreis schließt – ein Kreis, der von Deinem Körper ausgeht und bei meinem Körper endet, und alle Körper zwischen uns einbezieht, die uns miteinander verbinden.
Meine choreografische Praxis und die Art, wie ich lebe, trenne ich nie voneinander. Oder vielleicht habe ich es ganz am Anfang meiner Karriere mal versucht, bis ich selbst Mutter wurde und mir klar geworden ist, dass es gar nicht möglich ist, so eine Trennung vorzunehmen. Es dennoch zu tun, war Gift für mich. Ich habe so viel daraus gelernt, die Kluft zwischen den verschiedenen Rollen in meinem Leben zu überwinden. Die Rolle der Choreografin, der Mutter, der Tochter, der Liebenden. Ich bin ein Ganzes. Wir sind ein Ganzes. Wir sind untrennbar. Mir ist klargeworden, dass ich zum künstlerischen Schaffen Klarheit benötige und nicht im Konflikt mit mir selbst stehen kann. Es ist wichtig, sich sicher zu fühlen. Vielleicht ist meine Vorgehensweise deshalb so klar strukturiert, damit ich näher an die Dinge herankomme. Um Vertrauen herzustellen und Sicherheit.
Und was das künstlerische Verlangen angeht, erinnert mich das an David Lynch, der so etwas gesagt hat wie: ‚Verlangen nach einer Idee ist wie ein Köder. Du befestigst deinen Köder am Haken und dann wartest du. Das Verlangen ist der Köder, der die Fische anzieht, die Ideen.‘ Und das Verlangen ist es auch, was mich weiterhin auf die Suche nach Wegen führt, mit Choreografie Schönheit in die Welt zu bringen. Und Schönheit bedeutet für mich Verbindung. Choreografie als ein Mittel des Zusammenseins, um die Gesellschaften der Zukunft zu formen.
Danke, dass Du uns diesen Raum eröffnet hast, Monica. Ich bin so dankbar für alles, was ich durch unser Gespräch lernen durfte.
Alles Liebe,
Alexandra