Illusionistische Abbilder
Reformiertes Theater
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Das legitime oder reformierte bürgerlich hegemoniale Theater hat bis ans Ende des Jahrhunderts illusionistische Darstellungen unter Einsatz der je neuesten Techniken, die, gewonnen aus den Einsichten der modernen Wissenschaften und ihrer industriellen Anwendungen, scheinbar paradox mit immer größerer Anstrengung Kunst, das Machen der Bühnenwelten hinter einer vierten Wand, möglichst verbergen sollten. Es ging dabei – zunächst – nicht um das Erfassen und Bewerten historischer gesellschaftlicher Phänomene und Prozesse, um die Darstellung wichtiger Probleme oder Konflikte, die zusammen mit dem ästhetischen Produzieren und Genießen zur diskursiven Behandlung anregen sollten. Das englische „hochkulturelle“ Theater war bis in die 1890er Jahre ein gleichsam neutraler Raum, ohne größeres Interesse für Inhalte. Es versuchte, mitunter mit archäologischer Übergenauigkeit, durch illusionistische Mittel das physische Environment eines Stückes vollständig zu reproduzieren. Die Produktion konnte sehr aufwendig und die Effekte sehr ausgefeilt sein, „aber das diente nur der Sache des Spektakels, das um seiner willen allein existierte. Die Beleuchtung erhellte den Schauspieler und die Szenerie; sie konnte romantisch und atmosphärisch sein, unterstrich aber nicht ein Thema oder ein Symbol, das durch den Regisseur zufällig ausgewählt war.“55
Die Ausformungen des „spektakulären Illusionismus“ waren vielleicht nicht zufällig besonders ausgeprägt in England, dem Vorreiter des Industriekapitalismus, mit wichtigen neuen...