„Illusionistische“ Perspektiv- oder Bildbühne
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Im Zuge des Rinascimento, des europaweiten Ansatzes, antike Kultur neu zu beleben, wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Aufführungsweise antiker Dramen noch nach dem alten Simultanprinzip gedacht und praktiziert. Die erste Inszenierung einer Plautus-Komödie 1486 am Hof von Ferrara stellte im Stück erwähnte Gebäude simultan mit fünf auf einem Podium im Palasthof errichteten plastischen zinnengekrönten Häusern dar. In der letzten Szene fuhr ein Schiff mit Segeln und Ruderern quer über den Hof, ein besonderes Schauelement wie in den geistlichen Spielen. Neu allerdings war die perspektivische Anordnung der Gebäude. Der Blick sollte wahrscheinlich eine „echte“/naturgetreue Architektur erfassen.5 Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts änderte sich das grundlegend. Die Darstellung setzte sich dem Zuschauer frontal gegenüber, die fundamentale Differenz zwischen dem Betrachter-Subjekt und der ihm außerhalb seiner objektiv als Repräsentation gegebenen Welt markierend. Im Darstellungsraum, der frontal gelagerten Bühne, begann man möglichst detail- und proportionsgenaue Bilder von Orten und Objekten zu inszenieren, wie sie in außerkünstlerischer Wirklichkeit wahrzunehmen waren. Die italienische Perspektivbühne, die erste Erscheinungsform des neuen Theaters, reproduzierte idealisiert Architekturen tatsächlicher Räume. Ihre Bühnenausstattung begründete den Illusionismus, der im Laufe der nächsten Jahrhunderte für das Denken und die Praxis europäischer Theaterkunst hegemonial wurde.6
Zur Aufführung von Ludovico...