Theater der Zeit

Vorwort

von Torsten Israel

Erschienen in: Dialog 7: „Lethe“ und andere Texte (01/2007)

Assoziationen: Europa Dramatik

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Dimitris Dimitriadis zählt als Dramatiker, Romancier und Dichter schon seit längerem zu den profiliertesten zeitgenössischen Schriftstellern Griechenlands. Äußerlich manifestierte sich dieser Umstand spätestens mit der Verleihung des griechischen Staatspreises für Literatur im Jahr 2003. Im vergangenen Sommer bildete sein Schaffen erstmals den alleinigen Gegenstand eines auf Naxos durchgeführten Symposiums. Und nachdem Patrice Chéreau schon 1968 sein erstes Stück uraufgeführt hatte, findet Dimitriadis'Werk seit circa zehn Jahren auch international wieder größere Aufmerksamkeit. So wurden u.a. 1998 am Petit Odéon in Paris und 2003 am Piccolo Teatro in Mailand Texte des Autors inszeniert.

Mit der vorliegenden Ausgabe werden Stücke des Autors nun auch im deutschsprachigen Raum in Buchform vorgestellt. Wichtigstes Auswahlkriterium war dabei das zu vermutende oder bereits praktisch bewiesene Potential der einzelnen Texte, auch jenseits der griechischen Landesgrenzen unmittelbare Theaterwirksamkeit zu entfalten. In Der Anfang des Lebens ergibt sich dieses Potential bereits aus dem inhaltlichen Schwerpunkt des Stücks, das den (west-)europäisch-islamischen Konflikt am Beispiel der osmanischen Eroberung Konstantinopels 1453 als Groteske abhandelt. Die Verfahren zur Vermittlung bei Verstimmungen sind ein düsteres, sprachlich den Expressionismus evozierendes Kammerspiel über eine ausweglose Dreiecksbeziehung. Auch Chrysippos bringt eine drastische Parabel über die Nachtseite des Eros, deren Titelheld seine unwiderstehliche sexuelle Anziehungskraft ausnutzt, um Angehörige und Partner scheinbar grundlos zu erniedrigen und zuletzt auch physisch zu vernichten. Das Leitmotiv der fünf unter dem Titel Lethe zusammengefassten Kurzmonologe schließlich bildet das gedankliche Rasen, Sich-Im-Kreis-Drehen, Resignieren eines völlig isolierten und gleichsam körperlosen Ich.

Die Stücke von Dimitriadis - wie auch seine Prosa-Texte, etwa das schon In seinem geplanten Umfang maßlose work in progress Anthropodie, oder die ebenfalls noch nicht abgeschlossene lyrisch-dramatische Großkomposition Kataloge - scheuen kein psychosoziales oder politisches Reizthema und bewegen sich syntaktisch und lexikalisch gelegentlich an der Grenze des sprachlich (noch) Möglichen. Aber was in all zu sicherer Entfernung von dieser Grenze liegt, ist, so dürfte damit gesagt sein, ohnehin bekannt.

Torsten Israel Mai 2007

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