Die Publikation „Theaterwissenschaft postkolonial/dekolonial. Eine kritische Bestandsaufnahme“, herausgegeben von den beiden Theaterwissenschafterinnen Azadeh Sharifi und Lisa Skwirblies, ist eine, auf die viele Kolleg:innen unseres Fachs lange gewartet haben. Endlich benennt ein Band all die Versäumnisse, Lücken und auch machtvollen Ungleichgewichte, die es in der Theaterwissenschaft wie auch in weiten Teilen der deutschen Theaterlandschaft zu dezidiert post- und dekolonialen Perspektiven gibt. Dafür versammeln die beiden Herausgeberinnen Stimmen aus der Wissenschaft, aus der künstlerischen Praxis (wie z.B. Joana Tischkau oder Olivia Hyunsin Kim), der kuratorischen Arbeit (z.B. Joy Kristin Kalu oder Elisa Liepsch) ebenso wie aus den Feldern Kulturpolitik und Aktivismus (z. B. Julius Heinicke oder Bühnenwatch). So ist eine reichhaltige, kluge und wissen(schaft)spolitisch wichtige Intervention entstanden, die Pflichtlektüre nicht nur für alle Studierenden, sondern auch für alle Lehrenden und leitenden Theaterschaffenden sein sollte.
Mit ihrem den Beiträgen vorangestelltem „Plädoyer für eine epistemologisch gerechtere Theaterwissenschaft“ benennen Sharifi und Skwirblies, die beide selbst lange zu postkolonialen oder kolonialgeschichtlichen Gegenständen geforscht und gearbeitet haben, drei Kernbereiche, die transformiert werden müssten: Es bedürfe einer strukturellen Diversifizierung des Forschungs- und Lehrpersonals, einer Kanonkritik und -erweiterung sowie einer Revision der im Fach etablierten Begriffe und Methoden, deren Geschichte dominant die einer eurozentristischen, weißen Wissensproduktion ist (ohne sich...