Wie viel Religion passt auf eine Theaterbühne? Sehr viel, wenn man damit zu spielen weiß. Zuerst einmal ist es ein Gedankenspiel, eines in der Art, mit der sich Goethes Faust das glaubensgierige Gretchen vom Leibe hielt: „Wer darf ihn nennen? / Und wer bekennen: / ‚Ich glaub ihn‘? / Wer empfinden / Und sich unterwinden / Zu sagen: ‚Ich glaub ihn nicht!‘? / Der Allumfasser, / Der Allerhalter, / Faßt und erhält er nicht / Dich, mich, sich selbst?“ Ein hochmoderner Diskurs über den Sinn von Leben, existenziell, pantheistisch, reflektiert – so sollte man mit der Aufklärung im Rücken auch heute über die Religion reden, jene religio, die Rückbindung an einen Ursprung, der sich unserer Verfügung entzieht.
Das Gegenteil davon jedoch ist jener Weg in den Fanatismus, den man im europäischen Mittelalter bereits als Dunkelmännertum bezeichnete: vernunftfeindlich, sinnenfeindlich, menschenfeindlich. Worin besteht heute wieder die Attraktivität einer solch blindwütigen Art von Ideologie? Das ist die Frage, die Nuran David Calis, den in Deutschland aufgewachsenen Regisseur armenisch-türkischer Herkunft, in „Kuffar. Die Gottesleugner“ umtreibt. Ihn interessieren in diesem von ihm selbst geschriebenen Stück die bereits in diesem Land geborenen Immigranten der zweiten Generation, die, vom Hass auf westliche Werte angetrieben, sich in...