Friede sei mit euch. Wir sind am Nullpunkt angekommen. Vor uns erstreckt sich weit und leer ein Raum von bestürzender Tiefe. Achtzig Meter trennen mich, die ich in der zwanzigsten Reihe sitze, von der Brandmauer am hinteren Ende der Bühne. Eine Weite wie eine Landschaft, an deren Horizont, dort, wo kaum erkennbar eine Frau (Valery Tscheplanowa) wie ein tanzender Neil Armstrong eine große Amerika-Flagge schwingt, die Luft zu flirren scheint. „molto agitato“, Frank Castorfs erster Opernabend an der Staatsoper Hamburg, eröffnet in cineastischem Ausmaß. Aleksandar Denićs verblüffend leere Bühne zeigt eine Supertotale, die an Sergio Leones Italowestern kurz vor High Noon denken lässt. Mit dieser Kameraeinstellung etablierte Leone den Topos Western – natürlich so, wie er ihn verstand: schmutziger, verschwitzter, amoralischer als die US-amerikanische Variante. Und damit ist man schon mitten drin im gedanklichen Kreuzfeuer dieser Arbeit.
Der Abend, eine Werkcollage im Geiste der Volksbühne, beginnt mit der Ankunftsmusik der Königin von Saba aus Georg Friedrich Händels Oratorium „Salomo“, eine, wie es heißt, Friedensmusik, zu der ein Screen weniger friedvolle Sätze aus Ovids Metamorphosen zitiert: Der gekränkte Zyklop Polyphem droht, den Lover seiner Geliebten Galatea zu erschlagen. Nach György Ligetis „Nouvelles Aventures“, einer reinen Lautkomposition für drei Sänger, deren autistisch...