Magazin
„Eine Marionette – das ist Scheiße“
Zum Tod der Schauspielerin Ruth Glöss
von Stephan Suschke
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Assoziationen: Akteure
Meine erste Erinnerung an die kleine Frau, die Ruth Glöss war, rührt aus den 1980er Jahren: Sie spielte in Heiner Müllers „Macbeth“-Inszenierung an der Berliner Volksbühne den Lenox, ein zartes, merkwürdiges Wesen mit einer sich einprägenden Stimme, schnörkellos und direkt im Umgang mit der Macht. Da hatte Ruth Glöss schon ein Theaterleben hinter sich: 1928 in Dresden geboren, wollte sie eigentlich Tänzerin werden, aber ein französischer Ballettmeister attestierte ihr mit zwölf Jahren „schauspielerisches Talent“.* Daran erinnerte sie sich nach dem Krieg und der „Ausbombung“. Sie nahm Schauspielunterricht und reiste mit dem Kabarett Die Distel quer durch die DDR.
„Zehn Jahre Provinz und das Kabarett“ lagen hinter ihr, als sie 1964 von Wolfgang Heinz an die Volksbühne engagiert wurde. Dort spielte sie zwanzig Jahre – auch in der „goldenen Zeit“ unter Benno Besson, der sie prägte, wie Manfred Karge, Matthias Langhoff und Fritz Marquardt. 1987 wurde sie von Manfred Wekwerth an das Berliner Ensemble engagiert, am Ende von dessen Intendanz „von den fünfen gekündigt“. Aber mit Beginn der neuen Spielzeit stand sie wieder auf der Bühne in Einar Schleefs „Wessis in Weimar“: „Er hat mich immer besonders behandelt, während er andere angebrüllt hat. Er war ja verrückt. Aber er hatte ein...