Roman Lemberg: Die Musik des 20. Jahrhunderts erforscht die Stimme abseits der traditionellen Oper in kleineren Formaten und erweitert das Spektrum der vokalen Techniken und der technischen Mittel, mit dem Gesang zu arbeiten. Die Sprache wird zerstückelt, einzelne Elemente herausgehoben, Lautmaterial aktiviert und oft werden berühmte Texte eingesetzt, die zersplittert, überschritten, deformiert werden. Das wird nach und nach in die Oper hineingebracht und gerät in Kontakt mit oft sehr traditionellen Dramaturgien, wie Giordano Ferrari in seinem Vortrag dargestellt hat.
Wie ist es um unsere Möglichkeiten bestellt, diese neuen Mittel der Stimme in der Oper wahrzunehmen oder zu schätzen? Sind wir aus anderen Kontexten nicht längst mit ihnen vertraut oder bleibt das immer noch etwas Besonderes?
Giordano Ferrari: Ein neues Werk sollte immer selbst einen Schlüssel bieten, der den Hörer in seine Welt hineinführt. Aber andererseits sollte es ihn auch mit etwas Neuem konfrontieren. Denn das wollen wir ja auch: etwas Neues hören. Es muss also etwas Neues bieten und dieses Neue trotzdem zugänglich machen. Die Oper als eine lebendige, zeitgenössische Kunst sollte die neuen Werke pflegen und ihren Zuschauern nahebringen. Wenn auch die neuen Werke öfter gespielt würden, hätte man natürlich auch leichter Zugang zu ihnen, und man könnte auf...