Autonomie der Kunst
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Assoziationen: Recht
Es ist allgemein anerkannt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG alle mit der Herstellung von Kunst in Verbindung stehenden Vorgänge schützt.1460 Hierzu wird immer wieder ein wesentliches Strukturmerkmal genannt, auf das nicht weiter verzichtet werden könne, möchte die Kunst aufgrund ihrer Eigengesetzlichkeit frei sein: die Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst, also zwischen Kunst und Wirklichkeit. Die vom Staat gewährte Freiheit der Kunst wird aus dieser Differenz heraus bestimmt und begriffen. Ein solches Verständnis wird dem Schutzbereich zugrunde gelegt und als Tatbestandsmerkmal der Ästhetizität betrachtet, vorausgesetzt und hierunter subsumiert. Ganz gleich, ob man mit dem materiellen Kunstbegriff davon ausgeht, dass Kunst eine gegebene, vorgängige Wirklichkeit darstellt, nämlich den individuellen Stand seines Urhebers, oder im Gegensatz dazu mit dem offenen Kunstwerk davon ausgeht, dass im Kunstwerk eine Wirklichkeit sui generis erschaffen wird, nämlich die gedankliche Vorstellung an sich, die nur im Kunstwerk aufgefunden werden könne, wird diese Unterscheidung zwischen Kunst und Wirklichkeit von der Kunstfreiheitsgarantie als wesensimmanent vorausgesetzt.1461 Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts strebt ein Kunstwerk hiermit »eine gegenüber der ›realen‹ Wirklichkeit verselbständigte ›wirklichere Wirklichkeit‹ an, in der die reale Wirklichkeit auf der ästhetischen Ebene in einem neuen Verhältnis zum Individuum bewusster erfahren wird«.1462 Diese Trennung von...